Logbuch # 1 / 2022

Off-Topic 1: Daheim ist da, wo man FM4 analog empfängt

Ein Bahnhof bietet so viel Stoff zum Nachdenken

Für dieses Kapitel gab es schon viele Überschriften, obwohl es noch lange nicht abgeschlossen war. Am treffendsten fand ich dann das, was jetzt hier oben steht. „Back for Good“ war eine andere Idee. „Leaving Stuttgart“ eine, die bereits jemand anders an anderer Stelle zu ähnlichem Anlass verwendete. Auf Deutsch: Ich bin umgezogen. Über Monate. Offiziell irgendwann zwischen 4. und 24. Januar. Das Thema Heimat und Verwurzelung ist immer schwierig, weil es nicht opportun scheint, in der modernen, superflexiblen Selbstverwirklungs-Arbeitswelt nur dort bleiben und leben zu wollen, wo man aufgewachsen ist. Nach jahrelanger Wochenend-Pendelei von Kaserne nach Daheim gab es für mich 2010 nichts Größeres, als eine planmäßige (aber für mich völlig unerwartete) Versetzung nach München. Bis sich dann ein paar Jahre später andere Probleme auftaten und ich die Flucht (nach vorn oder nach hinten, das ist hier eine Frage der Perspektive) antrat. Das Studium war mir die erneute Pendelei (nun als temporärer Nürnberger) absolut wert. Aber spätestens mit dem Praxissemester in Stuttgart und allem, was darauf folgen sollte, war die Frage wieder da. Wo gehöre ich hin in im Bermudadreieck Stuttgart-Nürnberg-Freising? So etwas lässt sich verdrängen, zwischendurch auch mal vergessen. Aber mit jeder Geburtstagsparty, Hochzeit oder sonstigem Ereignis im Freundeskreis steht die Frage wieder vor der Tür. Nach vielen Gesprächen musste ich mir wohl eingestehen, dass ich mich in Stuttgart nie verwurzeln wollte. Völlig klar, dass einem dann auch alles widerstrebt und der Blick mit ausgeschaltetem Fernlicht nur wenige Meter vor dem Vorderrad hängen bleibt. Dass eine lange aufgeschobene Entscheidung eine unglaublich befreiende Wirkung haben kann, hatte ich zuletzt kurz vor der Immatrikulation. Jetzt sitze ich wieder da, wo dahoam dahoam sein soll, wo ich besagten Radiosender aus der Überschrift zwischen fünf laut plärrenden Frequenzen von Antenne Bayern finde (immer noch unerträglich), die CSU und nicht die CDU alle paar Jahre auf dem Wahlzettel steht und, das ist wichtig, wo ich mich wohl fühle. Freistaat statt Se Länd. Wo ich an der Isar joggen kann und nicht im blöden Unipark. Wo nicht nur ein Ort zum Schrauben ist, sondern auch eine Werkstattgemeinschaft. Es sind eben die großen, aber auch die ganz kleinen Sachen. Vielleicht sehe ich das in fünf Jahren wieder ganz anders, aber bis dahin fühle ich mich so aufgeräumt, wie seit langem nicht mehr. Trotzdem war da neben großer Erleichterung etwas Wehmut, als ich den Sperrmüll auf die Straße platzierte und die letzten Spuren meiner Mieterschaft entfernt waren. Bei der Übergabe kam das Déjà-vu. Fast genau so sah es hier vor fast genau drei Jahren aus. Nur dass dieses Mal nicht ich in der Wohnung blieb, sondern der Vermieter. Ein letztes Mal die paar Stufen statt dem kotzgelben Aufzug genommen, dann fiel die Tür zum muffigen Treppenhaus mit dem schlampig gestrichenen, grünen Geländer zu. Das Gemisch widersprüchlicher Gefühle verflog kurze Zeit später an Gleis 16, an dem ich den ICE nach München enterte. Wohlwissend, dass ich der Einwohnerstatistik einen Zähler abnehmen, dem Kessel aber nicht entkommen kann. Denn ich werde weiterhin regelmäßig in Stuttgart sein. Aber eben als Gast.

All that remains

Off-Topic 2: Vollnarkose

Das erwartete Gefühl großer Erleichterung stellte sich auch in den nächsten Tagen nicht so wirklich ein – das nächste Großereignis stand bereits an. Eine ambulante OP, deren Ursache und Zweck wohl absolut erzählbar sind, mich jedoch bei der ersten Beschreibung des Facharztes direkt auf die Liege und an die Blutdruckmanschette befördert hat. Von dem her spare ich mir das an dieser Stelle einfach. Ein unvergessliches Ereignis blieb die Vollnarkose. Ich spürte schon die Kälte den Arm hochkriechen, bis ich bemerkte, dass mir die Schwester nur den Zugang gelegt hat. The real thing gab es dann ein paar Räume weiter, zu dem ich in meinem magischen Krankenhausumhang mit offenem Rücken watschelte. Nachdem ich festgespannt wurde, folgte die kurze Erklärung, dass das Schmerzmittel jetzt etwas brennen würde. Was es auch tat, als es sich heiß-kalt langsam den Arm hocharbeitete. Ich wartete noch auf die berühmte Ablenk-Frage des Narkosearztes, stattdessen knippste einfach jemand Licht aus. Faszinierend und gruselig zugleich. Die folgenden Tage verbrachte ich humpelnd in der Wohnung, startete meine bewährte Medizin für lange Januar und Februartage in Form einer DVD-Serie und ärgerte mich, dass Long Way Up trotz DVD-Ankündigung noch immer nur exklusiv als Streaming-Angebot bei Apple+ existiert. So gern ich die Serie mag, ich hoffe, dass ich möglichst lange einen weiten Bogen um Krankenhäuser machen kann…

Das Lagerfeuer des 21. Jahrhunderts

Bring mich Werkstatt

Damit es hier doch noch irgendwie um Motorräder geht, ein paar Worte zum anstehenden Wartungsmarathon. So langsam habe ich auch das Gefühl, jedes Jahr nur mit Ölwechseln beschäftigt zu sein. Tatsächlich ist es bei beiden Mopeds fällig, was sich nach eineinhalb Jahren (aber recht wenig Kilometern) nicht zu früh, aber auch nicht zu schlampig anfühlt. Und dann ist da ja noch die Duke… aber die läuft sowieso außerhalb meiner Statistik. In Tschechien knackte die GS ohne großes Aufsehen die 40 000 Kilometer, weshalb in den kommenden Wochen etwas mehr als die übliche Wartung ansteht: Der Antriebsriemen ist fällig, ebenso die Zündkerzen und das Ventilspiel. Alles ist vermutlich noch im grün-gelben Bereich, ein paar Euro alle sechs Jahre bzw. alle 40 000 Kilometer zu investieren finde ich jetzt allerdings auch nicht übertrieben.

Oh, have we met before?

Zumal ich mit der GS dieses Jahr wieder einiges vorhabe: Es zeichnet sich ab, dass ich meine geographische Bildungslücke zwischen Bosnien-Herzegowina und Griechenland bald schließen kann. Damit das auch wirklich klappt, werde ich mir Italien für den Rückweg aufheben und den Trip im Uhrzeigersinn fahren. Daher muss ich in der Zeit abgeklemmter Batterien versuchen, nicht wieder in Planungsmanie und Vorfreude zu verfallen. Zu viel kann sich noch ändern, und ich will mir eigentlich sowieso angewöhnen, alles etwas spontaner anzugehen. Nicht jeden Abend schon planen, wo ich am nächsten Abend bin. Sondern höchstens grob in die Richtung fahren. Ganz lassen kann ich es aber nicht, und mir fallen ständig Dinge ein, die ich anders (meist besser) als letztes Mal machen werde. So ging das irgendwie immer. 2016 konnte ich nicht verstehen, wie ich 2015 bei zwei bis drei Grad für ein paar Tage nach Tschechien fahren wollte. 2017 konnte ich nicht verstehen, warum ich nicht vorher alleine mit dem Motorrad in den Urlaub bin. 2018 konnte ich nicht verstehen, was ich 2017 für Klamotten anhatte, was ich mitgenommen habe. Und was nicht. Und so weiter. Jetzt wundere ich mich über die Routenplanung, die undichten Stiefel, die oft schlechten Fotos und viele Kleinigkeiten, die ich im Urlaub 2020 in Italien und Griechenland gemacht oder nicht gemacht habe. Aber dadurch bleibt es eben auch spannend.

Ich hab da irgendwo noch einen Bierdeckel offen…

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