Katerstimmung, ganz ohne Bier
Der erwartete ganzkörperliche Muskelkater störte mich weniger, als der dicke Kopf und die laufende Nase. Ich habe nicht gut geschlafen und da half auch kein Frühstück und doppelter Kaffee. Ich fühlte mich nicht sonderlich fit, als wir mit dem Aufwärmtraining (ohne Motorrad) begannen. In den Fußrasten stehend wurde es dann schon besser, die Körperhaltung war jetzt schon fast Gewohnheit. Nach Wiederholungen des gestrigen Programms folgte das Führen des Motorrads beim Nebenhergehen. Auf Englisch: Power Walking. Die Intensität des Programms steigerte sich danach wieder schnell und ein paar Parkrunden später erwischte es mich dann nochmal. Der Schotterweg war zwar relativ eben, aber irgendwie verbremste ich mich erneut. Das schien zumindest im Nachhinein die wahrscheinlichste Erklärung… zudem soll das ABS der 800er GS gerade Offroad nicht so gut funktionieren, wie das der Boxer-GS.
Bein unter Motorrad
Der Schreck war größer als beim letzten Sturz, aber ich merkte schnell dass alles wieder glimpflich ausgegangen war. Ich war fast froh, endlich mal die Erfahrung gemacht zu haben, vom Motorrad gefallen zu sein. Der Unterarm war dank eines nicht zurecht gezurrten Protektors aufgekratzt und mein Schienbein war leicht angeschwollen. Ich fuhr also zurück zum Glaspalast, wo ich sofort einen Eisbeutel erhielt. Die Bremsübungen im Schotter würde ich also verpassen. Irgendwann wurde das Bein schon taub von der Kälte. Ich wollte es nochmal probieren und nach einer guten Stunde traute ich mich wieder in den Sattel, bekam aber bald eine andere 800er, da meine Kühlflüssigkeit verlor. Der Kühler hatte wohl doch etwas abbekommen. Mein Selbstvertrauen hatte ebenfalls eine leichte Delle. Im Stehen fahrend schmerzte das Schienbein zwar kaum noch, aber eine langgezogene Abfahrt machte mir trotz geringem Gefälle derart Angst, dass ich vielleicht im Schrittempo herunterrollte. Schon mit Motorbremse relativ langsam herunterzurollen war mir zu schnell. Die zwei hinter mir fahrenden drängten mich zum Glück auch nicht, meinen Hintermann hatte es gestern immerhin acht Mal aus dem Sattel gerissen. Vielleicht waren sie sogar froh. Ein paar aufmunternde Worte später redete ich mir ein, einfach an die gezogene Kupplung zu denken. Trotzdem fuhr ich die nächste Stunde wesentlich verhaltener und defensiver.

Highlight des Trainings
Endlich kam das, weshalb wir hauptsächlich hier waren: Sand. Nach den ersten Erklärungen meldete ich mich als Freiwilliger, um das kurze Stück des rechteckigen Sandkastens zu überqueren. Natürlich war ich viel zu zaghaft und landete prompt im Weichen. Die Instruktoren hatten nicht geplant, gleich so schnell die Bergung demonstrieren zu müssen. Mein fehlender Biss war mir aber scheinbar anzusehen, weshalb es auch niemanden wirklich überraschte. Ein paar andere Motorradfahrer abwartend ließ ich mich erneut darauf ein und konzentrierte mich auf meinen Fixpunkt am gegenüberliegenden Wald. Und schon jetzt, mit bisschen mehr Gas, war es eine Riesengaudi. Die nächste Streckenvorgabe war eine leichte Diagonale, gute 30 Meter durch den locker aufgehäuften Sand. Wo ich nun problemlos durchpflügte, blieben andere stecken. Mein Selbstvertrauen war wieder da und stieg mit jeder weiteren Durchquerung.
Schließlich durften wir die gesamte Länge des Sandbeets nutzen, worauf allerdings nur noch wenige andere Lust hatten. Auch hier spielten kleine Faktoren eine große Rolle: Punkt suchen und im Blick halten, Lenker locker halten, leicht nach hinten lehnen. Gesteuert wird mit Blickführung und Druck auf die Rasten. Ich dachte zwar drei oder vier Mal, dass es mich gleich schmeißen muss, doch irgendwie fand das 21-Zoll-Vorderrad immer wieder zurück in die Spur.

Nach dieser Erfahrung ging alles weitere wieder fast von selbst. Wie beim Jiu-Jitsu begriff ich, dass nicht nur korrekt ausgeführte Technik, sondern auch eine Portion Lockerheit notwendig ist. Die weiteren Fahrten durch den Park, rauf und runter, über enge Pfade im Wald, über feinen oder groben Schotter, über Wiesen, Felsen und durch Röhren machten trotz Erschöpfung einen riesen Spaß. Der Nachmittag wurde mit einer Ausfahrt in der Gegend um Hechlingen und Treuchtlingen gekürt, bei der wir auf Schotterstraßen im Windpark und auf abgeernteten Feldern wie Reiter in der Steppe nebeneinander herfuhren. Da es trotz einigen Stürzen nur einen Ausfall gab, nahmen nach Abgabe der Maschinen alle Teilnehmer ihre frisch signierte Urkunde entgegen und bekamen von den Trainern ein „für die Heimfahrt trockenes“ Enduropark T-Shirt in die Hand gedrückt.
Alle Informationen zum Park, noch freien Terminen, einer Preisübersicht und weiteren Angeboten findet ihr auf Enduropark-Hechlingen.de. Wenn man einen bis mehrere Stürze einkalkuiert, relativieren sich die Mehrkosten für ein Mietmotorrad übrigens ziemlich schnell. Ob sich das Training auch dauerhaft bezahlt gemacht hat, werden erst die nächsten Geländeabstecher zeigen.
