„Race To Dakar“ ist eine mehrteilige Doku über die gleichnamige Rallye. Die „Dakar“ benötigt wohl kaum eine Vorstellung. Das Rennen hat mittlerweile zum zweiten Mal den Schauplatz gewechselt, gilt aber immer noch als härteste Rallye der Welt (und abenteuerlichster Aufkleber fürs Windschild einer Reiseenduro). „Race to Dakar“ begleitet in sieben Episoden das Fahrerteam um Charley Boorman durch das verrückte Wüstenrennen, das 2006 noch (wie seit 1979) in Nordafrika ausgetragen wurde. Viele Gesichter, allen voran Charley, kennt man aus den Reisedokus Long Way Round bzw. Long Way Down.
„I’m doin‘ the Dakar“
Ungefähr ein halbes Jahr nach „Long Way Round“ überlegte Charley, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen und an der berühmtesten Rallye der Welt teilzunehmen. Angeblich auch, weil er diese vage Idee in einem Gespräch oder Interview von sich gab und später erneut darauf angesprochen wurde. Gerade im gleichnamigen Buch, das wie bei „Long Way Round“ parallel zur DVD angeboten wurde, wird jedoch auch klar, dass Charley nach dem Erfolg der Weltreise nicht unbedingt viele berufliche Perspektiven hatte. Man gönnt es ihm trotzdem. Zusammen mit Produzent Russ Malkin, der Ewan und Charley schon bei Long Way Round begleitete, besuchte er im Januar 2005 die Rallye und machte sich in einem der Camps ein genaueres Bild. Obwohl schon hier klar wurde, welche Entbehrungen auf ihn zukamen, wollte er das Projekt in die Tat umsetzen.
Wieder bedurfte es Monate der Vorbereitung, in dieser Zeit fuhr Charley mehrere Endurorennen, schwitzte regelmäßig im Fitnessstudio und verbrachte viele Tage in Simon Paveys Offroadschule in Wales. Simon wurde als Dakar-Veteran schnell als Zweiter ins „Race to Dakar“ Team rekrutiert, er fuhr damit das sechste Mal nach Dakar. Dritter Fahrer war der erfahrene Motocrosser, aber Rallye-unerfahrene Matt Hall, der auch als Kameramann fungierte. Sogar Simon Paveys Sohn Llewellyn, der heute Brake Magazine betreibt und mittlerweile selbst an der Rallye teilgenommen hat, hat einen kurzen Cameo-Auftritt. Die Motorräder, drei F 650 GS Dakar, wurden von BMW gestellt, sie erfuhren allerdings zahlreiche Änderungen durch Touratech und Chefmechaniker Gareth. Auch das Begleitfahrzeug, ein X5, wurde den harten Bedingungen der Wüstenrallye angepasst. Schon während der Vorbereitung wird klar, dass die Dakar zwar Fahrechnik, Kondition und sichere Navigation abverlangt, vor allem aber den unbedingten Willen, das Ziel zu erreichen. Kurz vor Silvester brach das Team nach Lissabon auf, von wo aus die Rallye im Jahr 2006 startete. Die Etappen führten über Malaga nach Marokko, in die Westsahara, nach Mauretanien, Mali und Guinea und endete am 15. Januar in Dakar im Senegal. Schnell wächst der Respekt für alle, die ihre bis oben hin mit Sprit gefüllten Motorräder über Stunden durch Sand und Geröll prügeln. Den Blick ständig auf das Roadbook und Tripmaster gerichtet. Der Motor fast immer am überhitzen, der Luftfilter voll mit Sand und Staub. Oft bei schlechter Sicht, meist mit der Zeit und den viel schnelleren Autos im Nacken. Die Perspektive wechselt dabei oft zwischen dem Rennteam und der Support-Crew, die in den nächtlichen Lagern kaum mehr Schlaf bekommen als die Fahrer. Im Laufe der Rallye bekommt man auch andere Fahrer öfters zu Gesicht, ebenso werden Eindrücke über die Organisation und Logistik der Rallye vermittelt. Wenn die Veranstalter behaupten, sogar Armeen würden sich die Abläufe ansehen, scheint das angesichts der Masse an Teilnehmern, Fahrzeugen und riesigen Mengen an Material sogar glaubwürdig. Genauso spürbar wird aber auch das Besondere an der Dakar und die Kameradschaft unter allen Teilnehmern, die trotz der Umstände immer wieder zurückkehren.
„Dakar is Dakar“
Auch wenn die Dokumentation in erster Linie einen Erlebnisbericht darstellt, kommt hin und wieder Kritik an der Rallye durch. Sie hatte schon 2006 den Ruf, mit manchen Etappen vor allem das Teilnehmerfeld aussieben zu wollen, um ihrem harten Nimbus gerecht zu werden. Dass die Dakar auch ein riesiger Wanderzirkus ist, bei dem Leute große Mengen Geld bezahlen, um mit ihren teuren Spielzeugen durch die ärmsten Gegenden der Welt zu brettern, ist eine andere Sichtweise auf das große Abenteuer. Nicht nur aus diesen beiden Gründen findet seit 2009 das Africa Eco Race statt, das für viele dem ursprünglichen Spirit der Dakar deutlich näher ist. Allzu kritische Töne erlaubt sich „Race To Dakar“ aber nicht, was jedoch auch unglaubwürdig wäre. Immerhin bleibt nicht unerwähnt, dass bei der Rallye auch 2006 wieder tödliche Unfälle passiert sind: Der Motorradfahrer Andy Caldecott und, vielleicht noch tragischer, zwei sehr junge Zuschauer.

Sehenswerter Motorsport
Wer Formel-1-Sonntage immer zum Einschlafen fand und sogar die Dakar auf Eurosport langweilig findet, sollte „Race To Dakar“ trotzdem eine Chance geben. Die Doku zeigt nämlich ein deutlich spannenderes und größeres Bild der Rallye. Auch hier stellt das englischsprachige Buch, in dem übrigens Simon und Matt deutlich häufiger zu Wort kommen, eine perfekte Ergänzung zur DVD dar und übertrifft diese teilweise sogar an Spannung. Wer Long Way Round mochte, dem wird Race To Dakar sicherlich auch ohne Ewan gefallen. Daher passt „Race to Dakar“ auch im DVD-Regal hervorragend zwischen die beiden „Long Way“-Dokus, bietet aber auch als eigenständige Doku Rallyefeeling und viel Sehenswertes. Hubraumklassen, die Namen der Fahrer und die Schauplätze mögen heute andere sein, doch die Serie ist nach wie vor sehenswert. Ob und vor allem wie Charley, Matt und Simon es 2006 nach Dakar geschafft haben, lasse ich an dieser Stelle mal offen…
*Quelle:
Tasmin Slater für Flickr / Wikipedia / CC BY-SA 2.0(https://en.wikipedia.org/wiki/File:Charley_Boorman’s_Dakar_bike.jpg)