Auch wenn es nur ein paar Tage sind, in diesem Kurzurlaub nach Tschechien werde ich wieder einiges anders machen. Angefangen bei den Notizen. Statt Laptop gibt es einen A6-Notizblock, was eine gute Gelegenheit ist, mal wieder mehr als Name und Anschrift für die Kontaktverfolgung oder Datenschutzerklärung handschriftlich zu Papier zu bringen. Die Beiträge erscheinen folgerichtig im Nachgang und nicht wie sonst am Reisetag. Ich versuche trotzdem jeden Tag einen Beitrag zu veröffentlichen. Los ging es am Mittwoch, 29. September. Gut bepackt bin ich trotz des fehlenden Laptops übrigens trotzdem. Schon Camping- und Fotoausrüstung brauchen fast den kompletten Platz in den Koffern. Würde ich nur Handyfotos machen und in Hotels übernachten, hätten der Tankrucksack und die kleine Gepäckrolle auch ausgereicht… ich bin trotzdem für fast alle Temperaturen ausgestattet.

In der Früh melden sich trotzdem wieder Bedenken an, was hauptsächlich am Wetter liegt, es ist grau, trüb und echt zapfig. Und ich möchte Motorrad fahren? Und dann auch noch irgendwann zelten? Andererseits: Wann soll man denn sonst Motorrad fahren? Immer nur, wenn es sonnig und zwischen 20 und 29 Grad warm ist? Eben, es sind ja noch ein paar Tage bis zum Winter. Mein Plan stützt sich für heute trotzdem zu 100 Prozent auf das Regenradar und die Wettervorhersage. Die Schauer sollem nämlich von West nach Ost ziehen, weshalb ich auch erst gegen 10 losfahre und dem Regen sozusagen hinterherfahre. Trotzdem buche ich beim Frühstückskaffee noch ein Hotel statt wie ursprünglich angedacht zu campen. Es passt aber einfach besser zu meinen Plänen in Eger, wo ich Fotos machen, Geld abheben und ein ordentliches Abendessen (inklusive Bier trinken) möchte. In dieser Reihenfolge. Mit dem Campingplatz, der etwas außerhalb liegt, etwas unpraktisch. Urlaubsstimmung kommt auf meinem vollbepackten Reisemobil nicht wirklich auf, aber irgendwann kämpft sich die Sonne aber durch die Wolken und damit steigt auch langsam meine Laune. Ich fahre zunächst auf der Hopfenstraße B 301 Richtung Mainburg und Autobahn, wie ich es jahrelang gemacht habe, bevorzugt Montags gegen 5, zum Dienstbeginn um 7 war ich pünktlich in Weiden. Wahnsinn. Aber es hat die Wochenenden gefühlt so viel länger gemacht, als am Sonntag Abend zu fahren… Und so geht es weiter auf die A 93, die ich kurz hinter Schwandorf Richtung Oberviechtach und Schönsee verlasse. In den Dörfern wird auf Wahlplakaten noch vor dem drohenden Linksrutsch gewarnt. Die leeren Straßen dazwischen stimmen mich schonmal auf Tschechien ein, der nasse Asphalt ist eine Bestätigung, dass mein Plan bis jetzt aufgeht. Kurz vor der Grenze tanke ich nochmal auf und umfahre in Waidhaus clever eine Baustelle. Nach der Grenze begrüßen mich zahlreiche Plakate und Schilder, die für billig wirkende Casinos werben. Ich lasse die große Straße (und die wenig einladende Welt des grenznahen Glücksspiels) aber schnell hinter mir, biege auf eine kleine Verbindungsstraße Richtung Tachau. Auch hier muss es kurz vorher noch geregnet haben. Jetzt steigt hier und da sogar etwas Dampf auf, der Wind bläst mir gelbe Blätter vor’s Visier. Es wird langsam angenehm warm. Ich habe noch viel Zeit und mache daher abseits der Straße eine Mittagspause. Es sollte noch zum Grundthema dieses Kurztrips werden: Ich habe die Entfernungen vollkommen überschätzt, habe aber umso mehr Zeit. Nachdem ich meine Bäcker-Brotzeit verputzt habe, wird es Zeit das Stativ auszupacken. Nicht, dass ich es aus Faulheit wieder nur spazieren fahre wie im letzten Urlaub. Die Kamera kann mit dem Selbstauslöser bis zu neun Bilder aufnehmen, die Zeit zwischen den Fotos ist allerdings so lang, dass Kurvenbilder etwas schwierig werden, das merke ich schon nach den ersten Versuchen.

Da mich die vorgeschlagene Route schon in etwas mehr als einer Stunde nach Eger bringt, biege ich hier und da nach Osten ab, um ein paar zusätzliche Bögen einzubauen. Bei dieser Gelegenheit entdecke ich das ein oder andere Kurven-Kleinod und packe das Stativ in einer Kehre schon wieder aus. Nachdem ich alles eingerichtet habe und das Stativ auf dem Hang abgestellt habe, haste ich wie ein Idiot den steilen Abhang in voller Montur herunter und renne zum Motorrad, während ich versuche, von 20 runterzuzählen. Dann versuche ich, die Kurve so langsam und trotzdem so schräg wie möglich zu fahren. Wirklich zufrieden bin ich nicht, aber ich klopfe mir für die Mühe selbst auf die Schulter, denn ich erlaube mir immerhin drei Durchgänge und mache noch ein paar andere Fotos.

Kurven bei Michalovy Hory oder Michelsberg – wie mein Garmin weiß
Bald fahre ich durch eine sattgrüne, höhergelegene Weidelandschaft, die Straßen sind so schmal, dass zwei normale (!) Autos gerade so nebeneinander passen. Da ich schon richtig im Flow bin, mache ich nochmal ein paar Stativfotos, was auf der Geraden etwas einfacher ist. Was sich die Kühe dabei gedacht haben, kann ich nur erahnen. Das hat übrigens nichts damit zu tun, dass es auch im Jahr 2021 noch beliebt ist, eine BMW bzw. GS als „Kuh“ zu bezeichnen. Es scheint wie vieles aber eine Generationenfrage zu sein, weshalb mir das fremd ist. Wer diese „Gummikuh“-Geschichte nicht kennt, findet die Erklärung bei Google. Ich mag Kühe einfach, wie fast alle Tiere eigentlich, sie machen jedes Foto besser.

Kurz vor 4 bin ich trotzdem schon in Eger, was mir aber ganz Recht ist und für diesen Tag eine Strecke von nur 239 Kilometer ergibt. Ich checke in der schön hergerichteten Penzion Papírna ein und mache mich für meinen kleinen Stadtbummel bereit. Da das Hotel ungefähr eine Minute vom Marktplatz entfernt liegt, habe ich viel Zeit für Fotos und staune über die hübsch renovierten Fassaden. Außerhalb des Zentrums ist die Stadt – wie fast überall – nicht sehr ansehnlich, es dominieren Plattenbauten, die aber immerhin überwiegend mehrfarbig angemalt sind und damit sogar netter aussehen, als die sterilen weiß-grauen Wohnanlagen, die bei uns vielerorts aus dem Boden gestampft werden. Ich habe die leise Hoffnung, dass die Teile wenigstens energetisch oder nachhaltig gebaut sind. Es gäbe noch viel mehr zu sehen, was ich mir aber für wann anders aufheben muss, u. a. das Retromuseum am Marktplatz, das wohl viel (N)Ostalgie zu bieten hat. Auch wenn mir dazu räumlich und zeitlich eindeutig sämtliche Bezüge fehlen.

Das Abendessen fällt nicht allzu dekadent aus, Gerichte ohne Fleisch sind in der böhmischen Küche halt ähnlich rar wie in bayrischen Wirtshäusern. Aber allein das frisch gezapte Pilsner Urquell mit perfekter Schaumkrone ist der Hammer. Inklusive Trinkgeld zahle ich 300 Kronen, ungefähr 11 Euro und 80 Cent, was Sparfüchsen ein weiteres Argument liefert, mal Urlaub in Tschechien zu machen. Die Kellnerin hat ihre Freude daran, dass ich die Bestellung auf Tschechisch versuche. An einem anderen Tisch höre ich sie auch Deutsch sprechen, so fand ich es aber angemessener. Danach plane ich eine ungefähre Route für den morgigen Tag, der mich mit einem kleinen, kurvigen Umweg nach Karlsbad bringt. Von da aus möchte ich über Schnellstraßen Richtung Ústí nad Labem. Respektive Aussig.
