Bei der Suche nach minimalistischen Zelten stieß ich im Zuge meiner Reisevorbereitungen 2020 mal wieder auf eine stolze Preisspanne. Ich hätte zwischen 40 bis weit über 400 Euro für ein Zelt ausgeben können, das einfach etwas kompakter und leichter sein sollte, als mein 2er-Coleman-Zelt. Fündig wurde ich im Land der Funktionsklamotten, bei Jack Wolfskin. Die Bewährungsprobe bei Wind und Wetter hat das Zelt mit Bravour bestanden, die Motorrad-Wertung auch. Zumindest für mich.

Das Gossamer-Zelt, das als Solo-Zelt mittlerweile offenbar nicht mehr neu angeboten wird, kostete je nach Angebot rund 130 Euro. Leichte und platzsparende Zelte gibt es schon ab 40 Euro, ich erhoffe mir durch diese Wahl eine etwas langlebigere Konstruktion, außerdem hatten viele der Billigzelte nur eine Außenhülle und kein separates Innenzelt. Wie immer ist zu diskutieren, wie viel Geld man für etwas ausgeben sollte, dass man so selten braucht. Die Premiumklasse mit MSA und Co. für 300 bis 600 Euro (und mehr) schien mir für meinen Bedarf jedenfalls übertrieben. Für Globetrotter, wo es auf jedes Gramm ankommt oder Vielcamper sieht das sicherlich anders aus. Trotzdem punktet das so gesehen recht günstige Gossamer mit folgenden, nachgemessenen Daten:
- Länge: ca. 43 cm (ohne Zeltstangen wären unter 40 cm möglich)
- Umfang: ca. 11 cm
- Höhe: ca. 13 cm
- Gewicht: 1,8 kg
- Innenzeltmaß: 225 x 90/80 x 75/40 (Herstellerangabe, Länge x Breite x Höhe vorn/hinten)
Das Material lässt es sich auch um ein bis zwei Zentimeter eindrücken. Die Werte sind daher nicht exakt.

Mit zwei wertig wirkenden Zeltstangen und vier Heringen ist das Innenzelt schnell aufgebaut, zumindest wenn man es vorher einmal zuhause geübt hat. Das hat sich besonders bei schnell einsetzendem Regen (oder Dunkelheit) bezahlt gemacht. Alles, was nicht nass werden sollte konnte ich dann schnell ins Zelt werfen und die wasserdichte Außenhülle darüberlegen. Die fünf übrig gebliebenen Heringe reichen nur bedingt um die Außenhülle straff abzuspannen. Daher musste ich mit stabilen Ästen oder der Befestigung am Mopedkoffer improvisieren. In einer Nacht mit starkem Wind flatterte die Außenhülle lautstark vor sich hin, da hatte ich jedoch nicht mehr die Muße daran etwas zu ändern. Mit (bei den nächsten Malen) gut gespannter Außenhülle überstand das Zelt auch verregenete Nächte, inklusive Starkregen und Gewitter. Drinnen blieb alles trocken, auch dank der wannenartigen Unterlage. An fast allen Stellen ist genügend Abstand zwischen Innen- und Außenzelt, Kondenswasser bildete sich nur am Fußende meines Schlafsacks. Bei einer Nacht im Herbst war die Innenseite schon vor dem Einschlafen nass, Feuchtigkeit kam jedoch nur an den Stellen durch, wo sich Innen- und Außenzelt berührten, klar. So etwa am Helm, der durch seine Höhe im Fußbereich das Innenzelt gegen die Außenhülle drückte.

Die spannendste Frage war jedoch immer, ob das kompakte Tunnelzelt genügend Platz für Motorradfahrer bietet. Nach ein paar Nächten im Gossamer sage ich: Ja. Oder lieber: Jein. Denn es kommt darauf an, ob man sich damit arrangieren kann und möchte. Andere werden das anders sehen und zu anderen, größeren Zelten raten. Der größte Nachteil dieser Tunnelkonstruktion ist, dass man nicht im Zelt sitzen kann. Wenn es trocken ist, kann man sich höchstens in den Eingang setzen. Und auch das ist eher ein buckeln als sitzen. Bei Regen bleibt nur, sich im Zelt zusammenzufalten. Insbesondere blöd, wenn die Sachen noch nicht ausgepackt sind und die dreckigen Motorradstiefel noch an den Füßen sind… fast alles muss man vor dem Zelt erledigen: an- und ausziehen, Sachen ein- und auspacken, Schlafsack und Isomatte zusammenrollen… Ist es trocken, kann man sich jedoch gut arrangieren und den beschränkten Platz sinnvoll ausfüllen. Aber auch im Regen habe ich irgendwie alles ins Zelt bekommen, hatte auch mit 1,87 genügend Platz im Zelt. Motorradjacke, -hose und Helm lagen links neben mir, der kleine Rucksack im Fußbereich, Kleinigkeiten (Wasserflasche, Funktionsunterwäsche, Handschuhe, Handy etc.) lagen unsortiert dazwischen. Die Stiefel standen regensicher im schmalen Bereich zwischen Innen- und Außenzelt (Kopfseite).

Mehr Platz ist dort aber auch nicht. Daher legte ich die Gepäckrolle noch über ans Kopfende, um im Zelt Zugriff darauf zu haben. Da sie eh wasserdicht ist, hätte sie im Prinzip aber auch vor dem Zelt stehen bleiben können. Im Übrigen versteht sich von selbst, dass im Zelt kein Platz ist, um Sachen zu trocknen. Auch wenn eine Wäscheleine unmotiviert vor der Nase baumelt und längs im Zelt hängt. Sie bietet höchstens Platz für eine Unterhose und zwei Socken. In der Praxis verhedderte ich mich gerne beim umdrehen in der Leine. Oder hat sie am Ende eine ganz andere Funktion, die ich als Zelt-Noob verkenne?

Fazit
Das Gossamer ist nicht unbedingt eine klare Empfehlung für Motorradreisende. Ich bin trotzdem sehr zufrieden mit dem Zelt, weil es genau das bietet, was ich gesucht habe: Keinen Luxus, aber ausreichenden Platz für mich und die wichtigste Ausrüstung. Für einen relativ günstigen Preis hält es trocken, wirkt gut verarbeitet, ist fast überall verstaut und sehr leicht. Zudem ist das Zelt durch die niedrige Höhe und die Farbe fast schon getarnt, was Wildcampern (und solchen, die es werden wollen) entgegen kommt. Wenn es andere Farben gegeben hätte, hätte ich trotzdem diese gewählt. Ich werde das Zelt künftig noch mit einer Zeltunterlage und ein paar Zeltnägeln erweitern. Das sollte Gewicht und Packmaß nur geringfügig verändern, mit meinem Tarp kann ich zudem einen großen, regengeschützen Bereich zum Kochen usw. einrichten. Selbstredend gibt es zigtausende Alternativen, die das als Zweipersonenzelt bei vergleichbarem Gewicht schon serienmäßig mitbringen. Aber eben nicht zu diesem Preis.
Übrigens: Mehr Praxiserfahrungen (die das hier gesagte aber im Prinzip bestätigen) könnt ihr meiner Balkan-/Italienreise 2022 entnehmen. Was eindeutig für das Zelt spricht, denn da war mehr Regen (sogar Hagel) dabei, als ich angenommen habe.