Dezibel-Diskussion

Obwohl sich Diskussionen über Motorradlärm gefühlt jedes Frühjahr wiederholen, scheint sich wenig zu ändern. Trotzdem wächst der Druck auf Motorradfahrer und -hersteller. Es gibt trotz Euro 4 und 5 immer noch Motorräder, die schon serienmäßig asozial laut sind. Die Ansicht mag umstritten sein, aber meiner Meinung nach muss guter Sound nicht zwangsläufig auch laut sein. Für mich stellt sich daher immer mehr die Frage, was man selbst dafür oder dagegen tun kann…

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Wos hosd gsogt?

Durch die gewisse Bandbreite an Motorrädern, die ich mittlerweile beruflich „erfahren“ durfte, hat sich meine Abneigung gegen „laute“ Motorräder noch verstärkt. Im Meinungsspektrum der Gesamtheit der Motorradfahrer mag ich damit am empfindlichen, unbeliebten und uncoolen Ende liegen, aber egal. Es ist vielleicht auch so ein Enduro-Ding, denn bei Begegnungen auf Feld- und Waldwegen schafft ein gewisses Soundlevel schon eine gewisse (negative) Gesprächsgrundlage. Aber auch auf der Straße fühle ich mich einfach nicht wohl, wenn ich auf einer BMW NineT (Boxer) mit Akrapovic-Anlage sitze oder eine CB 650 R (Vierzylinder) mit viel Gefühl fahren muss, weil sie bei jedem leichten Ausdrehen so laut wird, dass ich mich beim Überholen einfach schäme. Eine KTM 790 Duke war für meinen Geschmack ebenfalls „schon“ grenzwertig, genauso wie eine R 1250 GS in den engen Gassen einer Altstadt. Die V4 von Aprilia und Ducati sollen ja nochmal deutlich schlimmer sein. Aktuelle positive Beispiele sind für mich die Ténéré 700 oder Moto Guzzi V85. Natürlich ist das alles subjektiv, ich notiere mir auch keine Messwerte und vielleicht klingt das alles für mich lauter als in ein paar Metern Entfernung. Aber aus Perspektive der Mitmenschen dürfte pro Tag genau ein „lautes“ Motorrad ausreichen um den neutralen bis positiven Eindruck der anderen 99 „leisen“ Motorräder zu negieren. Klar, manche Anwohner wären wohl auch vom Surren der E-Bikes genervt, aber wer genervte Anwohner pauschal nicht verstehen will, der möchte sich wohl nicht damit befassen. Man muss eben einsehen, dass nicht jeder Motorräder mag. Wer sich aber an die eigene Nase langen möchte, hat nicht viele Möglichkeiten. Da vieles, aber nicht alles mit der Gashand zu regulieren ist, bleibt wohl der größte Einfluss die Wahl des Endschalldämpfers. Die anderen Möglichkeiten wären: Motorrad stehen lassen (-), Elektromotorrad kaufen ($,-) oder sich nicht damit zu beschäftigen, eh wurscht, ist ja schließlich erlaubt (-).

„Aber du hast doch auch…“

Meine Motorräder waren ebenfalls mit Nachrüstschalldämpfern ausgerüstet, aber ein Zubehörauspuff muss nicht zwangsläufig laut oder lauter als die Serie sein. Gerade die DOHC-Boxer mit Klappenregelung (so ab 2010) sind ja bekannt dafür, bereits in Serie akustisch deutlich präsenter als vorherige Boxer zu sein. Die aktuellen 1200er und 1250er-Boxer ebenfalls. Ohne jemals ein Laut-Fan gewesen zu sein, haben mich aber Optik, Gewichtsersparnis und besserer (weil oft weniger blecherner) Sound bei meinen bisherigen Mopeds auch zum Zubehörteil greifen lassen. Der Tuningfaktor dürfte seit einigen Jahren uninteressant sein, man ist ja mittlerweile froh, wenn die Ausgangsleistung erhalten bleibt. An meinem Erstmotorrad, der G 650 GS Sertao, erkannte ich jedenfalls Handlungsbedarf. Der schwere Doppelauspuff verrichtete brav seinen Dienst, machte aber optisch wie akustisch wenig her. Dachte ich, daher wurde er schnell durch einen leichten wie schicken Hattech-Endtopf ersetzt. Erst beim Verkauf wurde zurückgebaut, da das Teil auch nach einer kleinen Anpassung auf meine neue 650 Xchallenge passen würde, behielt ich das Hattech-Rohr erstmal. Trotzdem gab ich dem Werksauspuff der Xchallenge lange eine Chance. Sah ok aus, klang ganz gut und patschte sogar ganz frech, zumindest wenn er heißgefahren war. Der Lärmpegel blieb trotz gutem Sound dezent und zurückhaltend, ohne aber unüberhörbar zu sein. So soll es sein. Aber ich hatte den schlanken Hattech-Auspuff der Sertao eben noch im Regal liegen. Und der klang zugegebenermaßen richtig kernig, bassig, nach Old-School-Einzylinder. Würde doch perfekt zur Xchallenge passen?

Die Xchallenge erbte den schwarzen Hattech-Endtopf meiner Sertao

Neben den schon beschriebenen Gründen kam sogar ein Vernunft-Argument dazu: Es gab und gibt Fälle, bei denen sich im OEM-Topf die Prallbleche durch Materialermüdung lösen und den Auspuff somit verstopfen, was wirtschaftlich gesehen nicht zu reparieren ist und meist mit starkem Leistungsverlust einhergeht. Weiterfahrt möglich, aber naja, Urlaub trotzdem erstmal vorbei. Auf den Werkszustand zurückrüsten hatte ich also schon ausgeschlossen. Klang auch richtig geil, und über ein paar Kilo weniger freut sich sowieso jeder. Andere Lösungen kommen ebenfalls aus dem Zubehörregal und dürften sich lärmtechnisch nicht viel schenken. Trotzdem behielt ich den Origianltopf, für alle Fälle… Da meine eigene Lärmtoleranz wie beschrieben mittlerweile abgesunken ist und ich die Xchallenge zwischenzeitlich seltener fuhr, fiel mir irgendwann bei jedem Start auf, wie laut der Hattech-Topf vor sich hin bollert. Beim Enduro-Training 2019 in Reutlingen war das dagegen kein Thema, auf und abseits der Strecke hatte ich nicht den Eindruck, besonders laut zu sein. Vermutlich war ich neben den Zwei- und Viertakter-Sportenduros einer der leisesten Fahrer. Aber so ganz abgehakt war das Thema nicht. Daher habe ich mich entschieden, die Xchallenge künftig wieder mit Serienauspuff zu fahren. Und das, obwohl mich die Montage des Hattech so viel Geld und Nerven gekostet hat. Die Sache mit den Prallblechen werde ich einfach abwarten, denn im Gegensatz zur Problematik mit der durchrutschenden Kupplung scheint das nicht jeden pauschal zu treffen. Könnte eine typisch vieldiskutiertes Problem in Foren sein, das in der Praxis nur selten auftritt. Ähnlich wie defekte Hinterachsgetriebe an der 1200 GS. Da gibt es ebenfalls Fälle, die es sogar zwei- oder dreimal trifft, aber auch Motorräder, die auf 150 000 Kilometern noch kein Problem damit hatten. Also einfach fahren und beobachten. Da ich den Hattech-Auspuff einlagern werde, habe ich zumindest einen Ersatz griffbereit. Im Italien- und Griechenlandurlaub habe ich diesen Schritt nicht einmal bereut. Ganz im Gegenteil.

Wie 2017 bin ich nun wieder mit Originalsound unterwegs

Leicht ungleich laut

Bei meiner GS hatte ich seit Monaten ähnliche Gedanken, zumal mir der Standardauspuff sogar ganz gut gefällt. Durch die funktionelle, schlichte Optik passt er für mein Empfinden ganz gut an die GS. Ich bin ganz froh, dass ich den Auspuff beim Kauf noch dazubekommen habe – der kleine SC Project-Schalldämpfer mit Karbonhülle war bereits montiert. Meine Befürchtungen, dass dieser sehr laut sein würde, haben sich beim ersten Anlassen zerschlagen. Den Ruf als Krawallmacher trägt der Auspuff durch die bereits angesprochene, schon ab Werk lautere DOHC-GS. An meiner 2008er GS bleibt der Sound selbst mit dem sportlichen dB-Eater sehr zurückhaltend, aber ein paar Nuancen voller und kraftvoller als serienmäßig. Auf der Landstraße reißt es bei höheren Drehzahlen aber trotzdem ganz schön auf. Ohne je einen direkten Vergleich angestrebt zu haben, habe ich daher auch hier zurück aufs Original gerüstet.

Links SC-Project, rechts OEM

Ein Ausschlusskriterium? Ein Fazit?

Ich könnte jetzt auch nicht sagen, ob ich ein Motorrad aufgrund der Lautstärke nicht kaufen würde, wenn es mir sonst taugt. Wahrscheinlich würde ich trotzdem zugreifen. Das größte Problem liegt sicher am Begriff „laut“, mit dem ich hier so um mich werfe. Was für mich zu laut ist, ist für andere vielleicht gerade perfekt. Und für manche vielleicht noch zu leise. Und für viele Außenstehende kann ja auch der Serienauspuff schon zu laut sein. So oder so, wer seinen Motor richtig ausdreht, ist eben unter Umständen viele Hundert Meter weit weg hörbar. Leisere Endtöpfe als Nachrüstoption sind die Ausnahme, auch wenn es sowas von Hattech zum Beispiel für die neuere GS gibt. So bleibt nur zu hoffen, dass zumindest neue Motorräder etwas leiser statt noch lauter werden und sich die Einsicht durchsetzt, dass zu laute™ Mopeds am Ende allen schaden können. Ich bin froh, mittlerweile technisch so leise wie möglich unterwegs zu sein. Damit bin ich weder unhörbar noch unzufrieden mit Sound und Optik. Aber das ist auch nur (m)eine Meinung von vielen.

Mehr zum Thema? Hört mal in unsere Podcastfolge zu dem Thema rein…

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