Dieses Thema wollte ich eigentlich als Notiz bei meinen Balkan-Vorbereitungen unterbringen. Da es mich aber schon länger beschäftigt (und auch über diese Reise hinaus wird), fasse ich hier meine Erfahrungen zusammen. Schon Reisefotografie an sich ist nicht trivial, zumindest wenn die Resultate Fotos sein sollen, an denen man länger als eine halbe Sekunde hängen bleibt. Fahrende Motorräder fotografieren erfordert auch etwas Übung. Wenn man dann auch noch alleine unterwegs ist, wird die Sache wirklich kompliziert.
Option 1: Timer (ideal mit Stativ)
Das ist die einfachste Variante, die sogar Smartphones hinbekommen. Ein Stativ ist nicht unbedingt erforderlich, erlaubt aber deutlich mehr Freiheiten und Perspektiven. Nicht immer gibt es eine passende Möglichkeit, die Kamera bzw. das Handy wackelfrei aufzustellen. Reisestative sind teuer, aber relativ kompakt und leicht, das Geld ist also gut investiert. Günstige, wackelige Mini-Stative taugen nicht wirklich was, das habe ich schnell lernen dürfen.

Zurück zur Kamera: Viele Handys oder Digicams bieten leider nur kurze Timer, selbst eine Spiegelreflexkamera bietet oft nur gewisse, vorkonfigurierte Modi. Kameras für Semiprofis mögen da mehr Möglichkeiten haben, meine bietet 1,2,5,10 oder 20 Sekunden sowie die Wahl zwischen 1 und 10 Fotos. Die Abstände dazwischen sind allerdings recht lang und nicht einstellbar. Das heißt: Selbst in angezogener Montur bleiben nur 20 Sekunden, um das Motorrad zu starten und in die richtige Position zu fahren. In welchem Moment das erste (und alle weiteren) Fotos aufgenommen werden, ist also eine ziemliche Glückssache.

Immerhin: Für gerade Strecken mit sehenswertem Hintergrund ist das eine simple, relativ schnelle und vor allem zuverlässige Möglichkeit, für Kurvenfahrten ist das nur eingeschränkt tauglich, wie ich letztes Jahr in Tschechien gemerkt habe.

Option 2: Fernauslöser (mit Stativ + Funk oder WLAN)
Wie Timer scheinen Fernauslöser auch eher für statische Situationen gedacht zu sein. Sofern die Kamera das unterstützt, nimmt man hier am besten gleich die WLAN-Variante, so sieht man auf dem Handy gleich den Bildausschnitt. Das geht auch bis zu einer Entfernung von 20, 30 Metern und funktioniert relativ zuverlässig. Trotzdem nervt die App hin und wieder mit Verbindungsabbruch.

Bei Fahrfotos ergeben sich aber zwei Probleme: Die Bedienung ist mit dem Funkauslöser nur bedingt möglich, selbst wenn er mit einer Schlaufe am Handgelenk oder am Spiegel hängt. Das Knopf-Feedback des zweistufigen Auslösern ist selbst mit dünnen Handschuhen quasi nicht vorhanden. Das größere Problem ist aber, dass man auf die Entfernung unmöglich hört oder sieht, ob oder wie die Kamera reagiert, fokussiert oder auslöst. Mit mehr Erfahrung könnte das theoretisch funktionieren, aber auch Kurvenfotos kann ich mir damit nur schwer vorstellen. Die gute Idee, einfach per Fernauslöser im Serienaufnahmenmodus durchzuschießen, hat leider in der Praxis nicht funktioniert. Das macht meine Kamera nur, wenn sie über den normalen Knopf ausgelöst wird. Mit Fernauslöser bleibt sie im „Einzelfeuermodus“.

Die Nutzung der Handy-App ist bei Fahrfotos dagegen völlig ausgeschlossen. Wenn das Handy zu weit weg ist, wird die Verbindung gekappt. Das kann wie gesagt bereits bei Steh-Fotos ein Problem sein, das man auch nicht sofort mitbekommt. Abgesehen davon ist ein Smartphone während der Fahrt noch blöder zu steuern, als der Funkauslöser. Unter idealen Bedingungen und einem gut erreichbaren Smartphone im Tankrucksack mag es gehen, bei meinem Setup habe ich es erst gar nicht getestet.
Option 2b sozusagen war es, den Timer mit dem Fernauslöser zu kombinieren. Auch das war wieder theoretisch eine gute Idee, weil man damit nochmal mehr Zeit hat, um in Position zu fahren. Man sitzt ja schon auf dem laufenden Motorrad. Das Problem auch hier: Es ist kaum zu erkennen, ob die Kamera den Timer gestartet hat. Meine Nikon blinkt zwar, das ist aus der Entfernung jedoch kaum auszumachen, zumindest am Tag. Der so gewonnene Abstand bringt in der Praxis also nichts.
Option 3: Film + Frame herausschneiden
Eine Idee, die sich bewähren könnte, denn diese Variante scheint die beste für dynamische Aufnahmen zu sein. Die Kamera kann hier einfach ausgerichtet werden und die ganze Zeit filmen. Im Anschluss kann das Video noch in der Kamera angeschaut und geschnitten werden, einzelne Frames werden als Foto abgespeichert. Sehr komfortabel, vor allem, weil das Video Frame für Frame durchgeklickt werden kann. Die Sache hat natürlich einen Haken: Die Auflösung der Bilder ist durch den Videomodus mit 1920 x 1080 Pixeln deutlich geringer, das gesamte Bild deutlich unschärfer, wie man am folgenden Foto sehen kann. Das Bild weiter oben (mit Fernauslöser) wurde aus der selben Perspektive aufgenommen, ist aber selbst herunterskaliert überall etwas schärfer. Für mich ist die Qualität jedoch ausreichend, zumal es die einzige realistisch umsetzbare Möglichkeit für Kurvenfotos oder andere dynamische Bilder ist.

Option 4: Onboard-Aufnahmen per Hand
Für Aufnahmen aus Cockpitperspektive braucht es selbstverständlich eine kleine Kamera, außer man drückt einem temporären Sozius eine Spiegelreflex in die Hand. Mit meiner kleinen Nikon AW 130 ist die Masse meiner bisherigen Fahrfotos entstanden, denn sie ist auch mit Handschuhen gut einhändig bedienbar, jedoch nur auf geraden Strecken oder maximal leichten Kurven, idealerweise bergab (linke Hand zieht Kupplung, rechte Hand bedient Kamera). Das ist also sicherlich keine perfekte, aber dennoch bewährte Möglichkeit, spontan und ohne abzusteigen Fotos zu machen.

Je nach Situation bzw. Straßenverlauf lässt sich die Kamera auch in andere Perspektiven bringen, was nochmal spannendere Aufnahmen ermöglicht. Kontrolle über den Bildausschnitt oder die Einstellungen habe ich dabei jedoch logischerweise nicht. Mit einer Spiegelreflexkamera ist das während der Fahrt jedoch gar nicht möglich.

Eine theoretisch bessere Möglichkeit (bei der auch beide Hände am Lenker bleiben können), ist die Montage der Kamera an einem Brustgurt. Das kennt man vermutlich von jeder GoPro, daher war ich neugierig, wie das mit meiner Nikon funktioniert. Nach ersten Tests kann ich sagen: Eher mäßig. Denn die kleine Digicam ist Timer-technisch noch limitierter, lässt nur die Wahl zwischen 2- und 10-Sekunden-Timer und schießt dabei nur ein Foto. Mit dem 10-Sekunden-Timer könnte ich arbeiten, aber die Anzahl der Aufnahmen ist leider nicht einstellbar. Dazu kommt, dass das Display in der Halterung kaum abzulesen ist und das Steuerkreuz so nicht wirklich zu bedienen ist. Den Timer-Modus vorher einzustellen bringt auch nicht wirklich etwas, denn nach jeder erfolgten Aufnahme per Timer geht die Kamera in den Standardmodus zurück. Kurzum: Es ist nicht praktikabel. Ich bin also auch dazu übergegangen, die Kamera im Videomodus mitlaufen zu lassen, und einzelne Frames herauszuschneiden. Die Qualitätseinbußen sind jedoch noch größer. Dazu kommt noch, dass selbst diese weitwinklige Digicam in dieser Position viel auslässt, was sich mit händischer Bedienung leichter beheben lässt. In Summe also kein Gewinn, eine GoPro kann das alles deutlich besser, wie ich seit einer Südfrankreich-Tour für „Ride“ weiß. Kein fairer Vergleich, aber da die Nikon trotzdem die bessere Fotokamera ist, kommt mir eine teure GoPro momentan nicht ins Haus oder ans Moped.

Ich werde noch weitere Testfahrten mit dem Brustgurt unternehmen, für den Moment scheint es jedoch sinnvoller, die Digicam einfach in die Jackentasche zu stecken und bei Bedarf mit der Hand zu bedienen. Andererseits: Für Kurven- oder Geländefahrten ist es jedoch die beste bzw. einzige Möglichkeit, Onboardaufnahmen zu machen.

Vorläufiges Fazit
Wer alleine Fahrfotos von sich machen möchte, muss sich damit abfinden, dass nicht alles geht. Eine Drohne und/oder andere Fotoausrüstung mag noch mehr Möglichkeiten bieten, aber man wird nie die vollständige Kontrolle über das Bild haben. Andere Ideen, die ich noch nicht getestet habe wären beispielsweise noch, die Spiegelreflex am Stativ zu montieren und das Dreibein am Motorrad zu verzurren. In Verbindung mit einem Timer könnten dann scharfe Onboard-Aufnahmen (seitlich an mir vorbei) entstehen. Ob das der Kamera und den Objektiven so gut tut, ist die andere Frage. Ich werde außerdem noch testen, die robustere Digicam z. B. an einem Alu-Koffer oder einem Sturzbügel zu montieren, was wiederum andere Perspektiven erlaubt. Mit der Kombination aus den gezeigten Möglichkeiten bin ich jedoch für den Moment sehr zufrieden. Bei allen Bemühungen darf man nicht vergessen, dass der Aufbau und das Ausprobieren unglaublich viel Zeit kosten kann. Insofern ist es sinnvoll, sich vorher schon mal mit der Ausrüstung vertraut zu machen. Trotzdem: Eine Reise ist eine Reise und keine Fotoproduktion, daher gebe ich mich im Zweifelsfall auch mit einem nicht ganz perfekten Bild zufrieden.