- Abschnitt: Kastanea – Lavrion
- Strecke: 240 Kilometer
- Fahrzeit: 09:45 bis 14:15 Uhr
- Motto / Idee des Tages: Sollte mal Urlaub ohne Internet probieren.
- Lied des Tages: Bilderbuch – Checkpoint
Mein erster griechischer Kaffee (sehr gut!) hinterlässt nach dem Trinken eine wohlriechende, schlammige Brühe in der Tasse. Der Kaffeesatz, der trotzdem mitgekommen ist, spüle ich noch mit Wasser herunter und esse den einfachen, aber ebenfalls sehr guten und großen Toast mit Käse dazwischen auf. In mittlerweile angewöhnter Routine befestige ich Taschen und Rucksack und bezahle. Direkt nach dem Losfahren warten schon wieder viele Kurven, die ins Tal führen. Die Strecke bis Korinth navigiere ich mit der Karte, was recht gut klappt.

Jack muss da bleiben
Es wird schnell warm, aber ich bin auch wesentlich später als gestern gestartet. Trotzdem suche ich nach einer Gelegenheit, das Stativ und meine Fernbedienung für die Kamera zu testen. Es dauert nicht lange und ich fahre wieder auf einer tapetenwürdigen Straße Richtung Berge. Die ersten Versuche mit Fernbedienung funktionieren zwar wenn ich daneben sitze, aber nicht vom Motorrad aus. Als Alternative nutze ich den 20-Sekunden-Selbstauslöser, der ungefähr das ermöglicht, was ich vorhatte. Genervt packe ich die Fernbedienung und den Empfänger in die Kameratasche.

Zurück in die Berge
Ein paar Serpentinen später, die in deutlich besserem Zustand sind, stehe ich am nächsten Aussichtspunkt. Mittlerweile habe ich auch festgestellt, dass die vielen kleinen schwarzen Perlen auf den Straßen weder Steine noch Beeren sind. Sondern vermutlich eher tierischen Ursprungs. Als ich langam in dieses Tal herunterfahre, wird es so heiß, dass der Fahrtwind selbst bei 70 oder 80 keinen großen Unterschied macht. Und ich wollte mit Lederjacke und Motorradjeans fahren…

Auch nett
In Nemea sehe ich zum ersten Mal seit dem Hafen wieder andere Motorräder, Supermärkte und mehr als vier Leute auf einmal. Richtung Korinth sehe ich zum ersten Mal die griechische Autobahn, die ich aufgrund der Maut aber umfahre. In Korinth wollte ich dann eigentlich ein Foto am Kanal machen, auf der kleinen Brücke ist es jedoch nicht ganz einfach anzuhalten, zumal danach viele Kreuzungen warten. So bleibt es beim kurzen Blick nach unten und der Feststellung, dass es wirklich kurios und eng aussieht, aber eben so, wie ich das schon vor 20 Jahren in irgendwelchen Büchern gesehen hab. Kurz danach halte ich an einer einladend aussehenden Bäckerei, die auch eine Kuchentheke und einen halben Getränkemarkt zu bieten hat. Ein kleiner Mittagssnack kann auch wirklich nicht schaden. Ich setze mich vor den Laden und beobachte, wie Griechen auf dem Weg zum Strand (oder zur Arbeit?) ebenfalls anhalten und gefühlt jedes Mal nach 30 Sekunden mit zwei Tüten wieder herauskommen und weiterfahren. Ich esse einen Cheesepie (Blätterteig) und trinke den ersten Eiscafé meines Lebens, den ich als wirklich sinnvoll und nicht als eine urbane Modeerscheinung empfinde.

Medium Spicy Macadamia Frappé Lattecino (nicht)
Ich könnte noch länger in die Gegend und auf mein Motorrad starren, das richtig gut und nach „the business“ aussieht. Zumal es in Süditalien und Griechenland nicht wie ein 2007er Motorrad aussieht, sondern eher brandneu. Zumindest mit ein paar Metern Abstand. Beim nächsten Tankstopp ernte ich die beeindruckten Blicke (Unterlippe raus und Nicken) des Tankwarts, der ungefähr in meinem Alter ist. „It’s a BMW, yeah? Good bike, good bike.“ BMW kennt man halt, auch ohne Boxer. „Patras?“ Ja sage ich, und Italia. Noch mehr anerkennende Blicke. Da merke ich dann auch, dass es vielleicht kein Abenteuer ist, aber eben auch nicht die ganz normale Alpentour. Bald fahre ich schon auf der beeindruckenden Bundesstraße, mitunter direkt an oder über der Küste, teilweise nur wenige Meter bis zum Strand. Hätte ich auch nicht gedacht.

Die alte Nationalstraße führt an der Küste nach Athen
Bald sehe ich viele Schiffe und eine sich weit ausstreckende Anhäufung weißer Häuser. Muss wohl schon Athen sein, das ich südlich umfahre, ganz ohne Durchfahren geht es aber nicht. Zunächst komme ich an Hafenanlagen und Raffinerien vorbei, die mich mit ihren beeindruckenden Geflechten aus Rohrleitungen der unterschiedlichsten Kaliber und riesigen Tanks an Spiele und Filme aus dem Star Wars Universum erinnern.

Athen, glaube ich
Kurze Zeit später bin ich mittendrin im vierspurigen Chaos, Helm tragen ist auch hier nicht en vogue. Von Ampel zu Ampel, von Abbiegespur zu Abbiegespur kämpfe ich mich durch den Moloch, in der Entfernung sehe ich kurz etwas aus der Antike. Als ich das Gröbste hinter mir habe, fahre ich noch ewig auf einer großen Straße am Rand der Stadt, die zwischen höheren Geschäftshäusern und Strand liegt. Dahinter stehen oft Hochhäuser, die architektonisch an sozialistische Bauformen der Fünfziger und Sechziger erinnern. Auf den Hügeln dahinter erscheint wieder ein Meer aus ineinander verschachtelter, weiß gestrichener Häuser. Der Weg aus der Metropole führt in ein langes Gewerbegebiet, in dem man auch gebrauchte Boote kaufen kann. Erst als ich Richtung Lavrion abbiege, nimmt der Verkehr ab.

Lost in Lavrion
In der Stadt selbst verfahre ich mich trotz Google-Navigation drei Mal und stehe am Ende dann doch in der Parallelstraße. Das fällt mir erst auf, als bei Hausnummer 11 ein alter Mann aufmacht, der schnell merkt, was ich suche. Er zeigt auf die gegenüberliegende Treppe, lacht, und klopft mir fast auf die Schulter. Ich beziehe mein Apartment, parke das Motorrad um und gehe an den Strand. Ich habe gestern bereits einen Plan B durchgeplant und habe mich eigentlich schon entschieden. Das kann ich vor meinem coolen Ich nur noch nicht so ganz vertreten, weshalb ich noch auf weitere, schlechte Corona-Nachrichten vom Balkan warte. Interessant und eigentlich gut: Ich habe nicht genug Zeit um nach Bari zurückzufahren, somit bleibt nur die Fähre nach Ancona, die zudem erst abends fährt. Das heißt, ich habe keinen halben Tag, den ich auf der Fähre herumhänge, zum anderen habe ich dann sehr viel Zeit um zurückzufahren, ungefähr einen ganzen Tag Puffer bei sehr gemütlichen Tagestouren von meist unter 200 Kilometern. Das klingt doch gar nicht so schlecht, und trotzdem fühle ich mich so, als würde ich mich selbst betrügen und als müsste ich über den Balkan fahren, um mir selbst etwas zu beweisen. Andererseits fällt es mir hier schon oft schwer genug, es ist sehr eng getaktet und mit wieder aufgestellten Einreisebeschränkungen in Österreich für Balkanstaaten könnte es tatsächlich problematisch werden. Und ich weiß noch nicht einmal, ob man in Quarantäne muss, wenn zum Beispiel in Montenegro war. Wenn man überhaupt reinkommt von Albanien aus. Und so weiter… das werde ich heute noch rausfinden.

Strand in Lavrion