Je nach Blickwinkel leben wir in einer spannenden oder einer deprimierenden Zeit. Das Zeitalter des Verbrenners neigt sich nach rund 120 Jahren dem Ende. Der Elektroantrieb bekommt nach ebensolanger Zeit seine zweite Chance. Ob er in Summe wirklich umweltfreundlicher ist, kann ich nicht beurteilen. Dafür kann sich jeder eine Studie suchen, die besser zur eigenen Meinung passt. Was ich aber beurteilen kann ist das, was diese Zeit für mich persönlich bedeutet.

Hinter jedem neu entdeckten Motorrad steht ja grundsätzlich die Frage, ob das etwas für mich wäre. Ob man genug „Fähigkeitslücke“ erkannt hat, um das Zweit- oder Drittmotorrad zu rechtfertigen, ob es spannender, besser, leichter ist. Ob genug Gründe da sind, um damit das alte Moped zu ersetzen. Zum Glück verbietet es meist der Kontostand, sich mehr als flüchtig bei mobile.de damit zu befassen. Meine wiederkehrenden Beispiele? Triumph Street Triple, BMW R nineT, KTM 690 Enduro. KTM 640 Adventure. Manchmal auch Royal Enfield. In letzter Zeit verstärkt BMW F 900 XR, KTM 790 Adventure R. Hach, wäre das schön…
Parallel dazu stelle ich aber eine ganz andere Entwicklung fest. Letztes Jahr habe ich wieder gelesen, dass ein paar skandinavische Länder ab 2030 keine neuen Verbrenner mehr zulassen wollen. Details wären schnell recherchiert, spielen dafür jetzt aber keine Rolle. Nun steht in der EU das Jahr 2035 zur Diskussion. Klar, das betrifft zunächst Autos, Motorräder werden (wie immer) etwas hinten dran sein. Klar ist auch, dass der Elektroantrieb nicht die CO2-neutrale Lösung aller Probleme ist. Auch ich träume von synthetischen Kraftstoffen, mit denen ich 2036 meine (dann) Youngtimer-BMWs betreiben kann. Trotzdem beschäftige ich mich hin und wieder mit Elektroantrieben. Ich kann das zum Glück beruflich, sonst würde mir bis heute wohl auch der praktische Bezug dazu fehlen. Zumindest in ausgewählten Fällen hat es mich tatsächlich zum Umdenken bewegt. Die Probleme sind die gleichen, wie bei Autos: zu teuer, zu geringe Reichweite. Das ist nach wie vor so. Bei Neupreisen um 25 000 (Energica) oder gar 30 000 Euro (Harley) überlegt man sich das zweimal. Abgesehen von Elektro-Rollern sind es mindestens 10 000 Euro, die man für eine Zero oder eine schöne Cake hinblättern darf. Immerhin: Bei einzelnen Motorrädern sind mittlerweile auch über 200 Kilometer drin. Je nach „Gas“hand genug für eine Tagestour. Eine zweiwöchige Tour durch Italien bleibt trotzdem schwer vorstellbar.
Was ich aber sagen muss: Wenn man einmal die Perspektive wechselt, dann bietet der Elektroantrieb Möglichkeiten, die man vorher teilweise garnicht hatte. Mein aktuelles Lieblingsbeispiel ist die Cake Kalk&, die eine Mischung aus Enduro und Mountainbike darstellt, nicht einmal 80 Kilo wiegt, rund 100 Kilometer Reichweite bieten soll und über 90 km/h fahren kann. Touring? Vielleicht als Challenge. Pendeln? Ideal! Aber wo die Kalk ganz groß auftrumpft: Den eigenen Landkreis erkunden, wie ich es mit einem Verbrenner nie tun würde. Über Stock und Stein, kreuz und quer, durch Wälder und Felder. Nachteil: Kostet mindestens 10 500 Euro. Änhlich attraktiv ist für mich die elektrische KTM Freeride E-XC. Die ist nicht einmal teurer als gängige Sportenduros. Macht im Wald ebenfalls keinen (bzw. deutlich weniger) Lärm, keinen Stress und trotzdem jede Menge Spaß. Ein anderes, straßenlastiges Beispiel ist die Zero FXS. Die kostet immerhin auch um die 13 000 Euro. Die nicht minder langweiligen Benzin-Alternativen 690 oder 701 Supermotos sind wie immer günstiger. Aber werden sie es auch bleiben?
So langsam kann man sich an den Gedanken gewöhnen, dass Elektro-Mopeds durchaus spannende Alternativen sein können. Wenn man sich darauf einlässt. Das lautlose Warten und der anschließende Sprint an der Ampel wird zum Beispiel nie langweilig. Spätestens seit ein paar Testfahrten kann ich das ganze Stammtischgelaber nicht mehr lesen. „Mopedfahren ist für mich Emotion“. Ja richtig, aber das eine muss das andere doch nicht ausschließen. Der „permanenterregte Synchronmotor“ klingt auf der Straße genauso sexy, wie er heißt. Und geräuschlos ist er trotzdem nicht. Zahnriemen, Ketten und Motoren können bei höheren Geschwindigkeiten auch „laut“ werden. Jeder Verbrenner klingt für daran gewöhnte Ohren besser. Aber Spaß, das worum es geht, macht das trotzdem. Probiert es doch einfach mal aus. Ich finde es bedenklich, dass hier schon wieder Gräben gezogen werden, obwohl doch eigentlich alles das selbe Hobby haben… Solange es Motor-Räder bleiben, soll mir das eigentlich egal sein. Das, worum es dabei geht, funktioniert für mich auch mit einem Elektromotor. Und wenn man sich ein E-Bike in die Garage stellt, ist da doch trotzdem noch Platz für ein Verbrenner-Zweit- oder Drittmotorrad, oder?
Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Ich mag es mir sowieso nicht leisten können (oder wollen), aber: ich frage mich manchmal schon ernsthaft, ob man sich jetzt noch ein Motorrad mit Hubraum, Viertaktmotor und Schaltgetriebe kaufen sollte. Ob das bald totes Kapital ist, weil die Betriebskosten so teuer werden, dass es wirklich ein luxuriöses Hobby wird. Oder ob die Gehirnwäsche bei mir schon funktioniert hat, und ich mir gerade deshalb ein weiteres kaufen sollte. Weil es schon irgendeine Lösung geben wird, für zig Milliarden Antriebe, die auf explosive Gasgemische angewiesen sind. Weil Motorräder nicht unbedingt umweltfreundlich sind, aber doch bitte erstmal andere Dinge geregelt werden sollten. Industrie. Landwirtschaft. Renovierung bestehender Altbauten. Kreuzfahrten. Flugreisen. Autos. Und so weiter. Genau wie mit Zug fahren und Vegetarier sein, versuche ich auch bei dem Thema einen kleinen Beitrag zu leisten, indem ich zumindest offen für Neues bin. Gleichzeitig rede ich mir auch ein, dass Motorräder wirklich das kleinste Problem sind und sehne mich ebenfalls nach der so rosigen, sorglosen Zeit, als der Liter Benzin noch so und so viel gekostet hat. Aber in ein paar Jahren sind wir alle schlauer…
