Meine ersten Gehversuche als Blogger drehten sich um alte Computerspiele. Die Seite war nur wenige Tage online. Im ersten und einzigen Beitrag beschrieb ich meinen Pentium III als Zeitmaschine, die mich, wenn auch nur kurz, in die Jahre um 2003 zurückbefördern konnte. Wie ich bei den letzten Reisen feststellte, geht es dabei um mehr als pixelige Grafik und grob simulierte Physik.
Ob nun mit Playstation 1, N64 oder natürlich gänzlich analogen Erinnerungen. Sobald auf dem Monitor oder Fernseher ein Spiel von 1997 läuft, vergisst man das die Welt um einen ein wenig. Die Grenze zum Eskapismus ist fließend. Und es ist vermutlich auch gut, das 1997, 2001 oder 2004 innerhalb der physikalischen Grenzen der Hardware bleibt. Denn auch in noch nicht ganz so globalisierten Zeiten war nicht alles besser.

Ich bin dann mal weg…
Umso beunruhigender ist manchmal die Ungeduld, die mein Windows 98 Desktop ohne Internetanschluss auslöst. Dabei war das früher ganz normal, es wurde gezockt. Oder ein Worddokument geschrieben. Oder Klassenfotos mit Paint bearbeitet. Es wurde nicht in bester Multitasking-Manie ein Spiel runtergeladen, Internetradio gestreamt, im nächsten Tab Facebook geöffnet und parallel dazu irgendwas für die Uni gemacht.

Macht dank anpassparer Schwierigkeit auch heute noch Spaß
Neben der Nostalgie ist das mittlerweile der Hauptgrund, warum ich mich auf veraltete Grafik einlasse. Abgesehen davon bieten alte Spiele teilweise immer noch unglaublich gute Geschichten und viel Liebe zum Detail, wie beispielsweise European Air War von 1998.

Eines der schönen interkativen Menüs bei Europan Air War
Aber genauso schnell wie der Blog kam, erschien mir der Gaming-Sektor als zu überlaufen, um mich ernsthaft damit zu befassen. Und, obwohl ich schon immer gerne am PC spiele, habe ich nicht mehr genug Interesse am aktuellen Geschehen.
Interessanter waren dafür Spiele, die ich schon mit 9 gespielt habe, nur um sie dann x Jahre später zum ersten Mal wirklich durchzuspielen. So ging es mir zumindest mit Tomb Raider II und Riven. Eine Karte der Inseln, die ich mir vor ein paar Jahren ausgedruckt habe, ziert jetzt noch meine kleine Studentenbude. Das besondere an diesem Spiel war das fast notwendige Mitschreiben der Rätsel und Hinweise in einem kleinen Notizbuch. Lange vor VR-Brillen schaffte das Spiel so eine Verbindung in die reale Welt.

Sieht auch heute noch wahnsinnig gut aus. Riven von 1997.
Und letztens stieß ich auf ein Video, das an die Besonderheiten dieser alten Abenteuerspiele erinnerte. Das Video ist übirgens auch der eigentliche Anstoß für diesen Beitrag. Es verglich das aktuelle Spiel der Riven-Macher Obduction mit Myst, dem bekannten Riven-Vorgänger. Das Video ging aber über das übliche Retro-Thema hinaus. Durch das Fehlen einer Komplettlösung, die binnen Sekunden im Internet gefunden wird, musste man sich tatsächlich mit dem Spiel beschäftigen. Vor allem wenn die Spielebibliothek beschränkter war.

Doch ein Motorrad in diesem Beitrag! Intro von „The Last Express“
Mir geht es heute genauso: Zig Spiele, die im Angebot waren, bei Steam heruntergeladen, kurz angespielt und nie wieder angefasst. Viele mit Bombastgrafik aber ohne wirklichen Inhalt. Aber jede Menge Achievements und Online-Teile-Features, die kein Mensch braucht. Frühere Spiele belohnten einfach durch die Lösung eines Rätsels. Und die Belohnung war umso größer, je länger man die Spielewelt dafür absuchen und überlegen musste.
Natürlich, ist es nur ein Spiel. Und früher war auch nicht alles besser, klar – aber was mir am meisten am Video gefiel: der Gedanke, das Spiele heute teilweise so schnelllebig sind, wie alles andere. Zeitfresser wie Facebook und Whatsapp, alles ist überall verfügbar. Gerade dadurch habe ich mir oberflächliches Lesen angewöhnt, kann kaum noch ein Buch lesen und selbst bei Magazinen lese ich eher diagonal über die Seiten. Meine Aufmerksamkeitsspanne scheint wesentlich kleiner geworden zu sein. Wie ich ab und zu lese, ist das auch das Problem (langer) geschriebener Texte. Wenn Ihr also bis hierhin gelesen habt: Respekt!

Jedi Knight – ein Klassiker unter den Star Wars Computerspielen
Jedenfalls ließ ich mich nach vielen Jahren im virtuellen Regal auf Myst ein – und erfreute mich an der Langsamkeit, der Nicht-Action und den ersten Rätseln. Schnell war ein Notizbuch gezückt. Nach guten zwei Stunden, die sich wie zwanzig Minuten angefühlt haben, löste ich bereits die ersten Rätsel um eine weitere Welt (bzw. „Zeitalter“) freizuschalten. Ganz ohne Google. Es ist nur ein Spiel. Aber mit beinahe meditativer Wirkung. Wie moderne „Walking-Simulator“ wie Dear Esther und Gone Home, die mich durch ihre entschleunigende Langsamkeit bei gleichzeitigem Tiefgang beeindruckten.
Was diese Spiele mit tatsächlicher Meditation, und manchmal auch langen Texten, eint: Man muss sich darauf einlassen. Probiert es einfach mal (wieder) aus. 🙂
Abschließend ein paar meiner persönlichen Retro-Favoriten:
The Last Express: Abenteuerspiel im Orient-Express 1914 mit einzigartigem Look
Myst, Riven, Myst III etc.: Grafikadventures von Cyan, siehe oben
Age of Empires 1 und 2: Klassiker, Strategiespiele in der Antike und Mittelalter
Wing Commander IV und V: Weltraum Spielfilm oder Filmspiel? Irgendwie beides
Dark Forces: Jedi Knight: Ein weiteres Spiel mit Filmsequenzen, das erste Star Wars Spiel mit Lichtschwert
Tomb Raider I-IV: Die klassischen Lara Croft Adventurespiele
Mafia: Filmreifes Spiel in einzigartigem 30er Jahre Setting
Half-Life: Ein Shooter-Meilenstein
Hidden and Dangerous 1 und 2: schöne, wenn auch nicht perfekte Taktik-Shooter, bei denen man britische Commandos im Zweiten Weltkrieg spielt
Journeyman Project 3: ein weiteres Rätselspiel mit schöner Grafik und Filmsequenzen
European Air War: Flugsimulation, die für jeden etwas bietet
und viele, viele mehr…