Solo Italia – Tag 5

  • Abschnitt: Palazzo – Senigallia – Palazzo
  • Strecke: ca. 80 Kilometer
  • Fahrzeit: /
  • Erkenntnis des Tages: 

    Planung vom Schreibtisch aus hat bei der Dynamik einer Solo-Tour nur begrenzten Wert.

Beim gestrigen Abendessen, während dessen ich Bilder und Texte von Tag 4 hochgeladen habe, kommt mir eine geniale Idee. Draußen ist es immer noch ziemlich windig und ich mache mir Sorgen ob mein Motorrad umkippt. Vielleicht übervorsichtig, aber bei so einer Reise ist das Motorrad eben das wichtigste,nämlich das was einen wieder nachhause bringt. Obwohl die kleinen Gässchen für alle motorisierten Gefährte verboten sind, hat sicher niemand etwas dagegen, wenn ich meine Kiste bergab schiebe. Und über Nacht im Haus stehen lasse.

Der Clou dabei: ich muss nicht bergauf schieben, um wieder wegzufahren. Was sowieso Schwerstarbeit wäre. Aber nach zwei, drei Kurven bergab komme ich wieder aus dem Dorf raus, kann also ab der Piazza komplett bergab schieben und muss nicht den Motor anmachen. Das würde wahrscheinlich auch niemanden wirklich jucken, aber es muss ja auch nicht sein. Soweit die Theorie. Als ich vom Essen heimkomme, setze ich den Plan in die Tat um. Nur beim Rangieren vor der Haustür komme ich etwas ins Schwitzen, da ich das Motorrad relativ gerade zur Türe stehen haben will. Die kleine Stufe zur Türschwelle wird kurzerhand mit einem gefalteten Badteppich nivelliert.

Nächstes Problem: Die Haustür geht nicht mehr zu. Motorrad weiter in den Flur schieben geht auch nicht, da dort drei Treppenstufen kommen. Ich sehe vor meinem geistigen Auge schon das Motorrad den Flur herunterpoltern. Da mir die Kiste schon letztens vom Anhänger gefallen ist, muss ich die Robustheit nicht weiter austesten. Ich prüfe nochmal ob der Gang eingelegt ist. Ich setze mich neben das Hinterrad, ziehe daran und kann so etwas Platz für die Tür machen. Ich muss nur darauf achten, mir die Birne nicht am noch heißen Auspuff zu verbrennen. Passt, die Tür geht zu. Bis morgen muss ich zwar ständig um das Motorrad laufen, bin aber gleichzeitig stolz auf meine Idee und grinse fast jedesmal beim Anblick. Bei dem Wind, der später nachts durch die Gassen pfeift, definitiv ein gutes Gefühl. Nebeneffekt: Kein Taubenmist auf der Sitzbank.

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Probier das mal mit einer großen GS…

Am morgen schlafe ich zum ersten mal seit Monaten richtig aus. Gegen zehn steige ich aus dem Bett und mache mir einen Kaffee. Ich verbringe den Vormittag damit, die letzten Tage Revue passieren zu lassen und versuche, grob die nächsten Tage zu planen. Das Problem dabei ist, dass ich langsam Gefahr laufe, an meinen eigenen Ansprüchen zu scheitern. Ich plane drei oder vier Tage für die Rückfahrt ein. Aber so oder so, wenn ich zur Stiefelspitze kommen will, ist der Preis dafür klar. Stundenlanges dahindümpeln auf der Autobahn, nur unterbrochen von einem Tankstopp alle 200 Kilometer. Es macht mich ganz wahnsinnig und ich lenke mich mit Essen kochen und Wäsche waschen ab. Ich schraube außerdem ein Pseudo-Billy-Regal zusammen, dass ich schon im letzten Urlaub (vor ein paar Wochen) aufbauen wollte.

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Beim Blick auf meinen Einkaufszettel wird mir klar, dass es mehr Sinn macht den Einkauf heute zu erledigen. Am Nachmittag ist es außerdem sonniger, der Wind hat nachgelassen und ich merke, dass es mir gut tun wird rauszukommen. Dabei wollte ich doch eigentlich meinen Hintern schonen… Ich beende mein Eremitendasein und schiebe das Motorrad rückwärts aus der Tür. Wie einen Esel am Strick führe ich meine Enduro durch die Gassen führe. Liebes BMW-Marketing-Team, DAS ist Urban Enduro. Unten angekommen starte ich den Motor und fahre Richtung Meer. Wie schön leichtfüssig sie ohne Gepäck fährt!

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Die Straßen machen so viel Spaß, wie ich es mir vorgestellt habe. Die rund 40 Kilometer zum Strand vergehen schnell und zum ersten Mal habe ich keine Parkplatzprobleme beim Il Maestrale Konsumtempel. Ich hätte eigentlich nicht so weit fahren müssen, aber die Mall lockt mit WLAN. Da der COOP dort außerdem so ziemlich alles hat, erhoffe ich mir ein USB-Kabel für das Garmin-Navi zu finden. Vielleicht sogar eine gute 1:400 000 Karte. USB-Kabel gibt es dort zwar tatsächlich und buchstäblich in jeder beliebigen Farbe, allerdings nur die schmalen Stecker, wie sie mittlerweile fast alle Handys haben. Dafür kaufe ich für zwei Tage ein, hole noch ein Dreierpack Glühbirnen (fürs Haus) und eine DVD. Im „Euronics“ finde ich dann außerdem das passende Kabel. Mit meinem offensichtlich martialischen Erscheinungsbild ernte ich viele Blicke. Ich hätte wohl auch einen Raumanzug anhaben können, es hätte den selben Effekt gehabt.

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Auch Sonntag bis 21 Uhr offen. Trotzdem immer voll wie in Deutschland kurz vor Feiertagen…

Da ich mir beim Einkauf viel Zeit gelassen habe, ist es draußen schon fast dunkel. Mist. Beim Blick auf den Tageskilometerzähler sehe ich außerdem, dass es gut wäre jetzt zu tanken. Ich nutze meine guten Ortskenntnisse, finde eine Abzweigung zur parallel im Tal laufenden Straße, an der zwei Tankstellen sind. Die Automaten der IP-Tankstellen wollten bisher immer nur Bargeld akzeptieren und auch die erste Tankstelle, eine IP, macht keine Ausnahme. Einen Kilometer später biege ich in eine AGIP-Tankstelle ein, bei der zumindest letzten Monat meine Kredikarte akzeptiert wurde. Zum Glück auch jetzt noch.

Neben mir steht ein Ford aus Ludwigsburg, als der Fahrer mein Kennzeichen sieht spricht er mich an und fragt, auf mein Moped zeigend, ob das diese HP2 sei. Nein aber fast erwidere ich, als ich meinen Helm abziehe. Er habe früher eine DR650 gehabt und wusste dass es mal die HP2 gab, aber wohl nur kurz. Aber das hier kannte er noch nicht. Ich bestätige ihm dass das bei der kurzen Bauzeit verständlich sei. Er erkundigt sich nochmal nach dem genauen Namen und wünscht noch eine gute Reise. Wünsche ich ebenfalls. Durch das Gespräch abgelenkt kontrolliere ich nochmal ob ich Benzin getankt habe, alles eingesteckt und die Taschen zugemacht habe.

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Man beachte die Mückenschwärme an den Lampen.

Ich sehe zu, dass ich nachhause komme. Das Fernlicht ist dabei nicht besonders hilfreich, aber ich fahre sowieso langsam. Langsam genug um rechtzeitig vor einer Katze zu bremsen. Zwei Meter weiter sitzt eine weitere, kleinere Katze wie angewurzelt auf der Straße. Natürlich sollte man nie nachts Motorrad fahren. Aber manchmal geht es halt nicht anders. Ein paar Kurven später läuft ein Hase über die Straße. Bevor ich noch etwas größerem begegne, verlasse ich die SP 14 und stehe auf der Piazza. Ich stelle das Moped halbwegs windgeschützt ab. Im Haus checke ich zuerst ob meine Wäsche noch da ist (war sie) und ob sie schon trocken ist (war sie nicht).

Morgen fahre ich wahrscheinlich an den Strand. Ich versuche nicht zu viele Gedanken an die nächste Route zu verschwenden. Ich möchte zwar in die Gegend von L’Aquila, dort waren letztes Jahr heftige Erdbeben, aber mehr möchte ich mir garnicht mehr vornehmen. Lieber entspannt ein paar Tage hier, ein paar Tage woanders und eine schöne Heimfahrt über mehrere Tage haben. Gestresstes, langweiliges Fahren von A und B hatte ich die letzten Tage genug. Die einzigen Autobahnen, die ich mir erlaube, sind der Brenner und die A99. Denn wenn es nächste Woche wieder so kalt wird, will ich so schnell wie möglich nachhause…

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