- Abschnitt: Arcevia (Italien) – Maserno (Italien)
- Zeit: 09:15 bis 18:15 Uhr
- Tageskilometer: 358
- Kilometer insgesamt: 3855

Es ist halt September. Gestern hat es den ganzen Tag geregnet, heute ist es neblig, kühl und windig. Trotz kurviger Streckenplanung spuckt das Navi 14:30 als Ankunftszeit in Firenzuola aus, was mir die Option lässt, noch etwas weiter zu fahren. So richtig wirkt die Landschaft um mich herum heute nicht, dafür ist es zu kalt und hier und da herbstelt es schon. Dafür gibt es wenigstens eine schöne Strecke, die mich kurzfristig ablenkt und sogar meine Foto-Faulheit besiegt. Die Kurven entschädigen nicht nur für den Regentag, sondern bieten auch unzählige Chancen, das Reifenprofil wieder etwas abzurunden.

Ich weiß noch nicht, ob ich morgen heim fahre oder nicht und überlege langsam eine Münze zu werfen, bis ich mir eingestehe, dass die Luft einfach raus ist. Wie immer in dieser Phase einer Reise, wenn daheim in einem (wenn auch monotonen) Autobahnritt erreichbar wäre. Also neuer Plan: Ich fahre heute so weit wie möglich nach Norden. Ob Zelt oder Pension lasse ich mir noch offen, denn da bin ich ähnlich unentschlossen. Ich muss bald tanken, habe aber mittlerweile gelernt, die Tankanzeige besser einzuschätzen. Bei einem fehlenden Strich sind noch acht Liter im Tank, bei zwei Strichen noch sechs und bei drei fehlenden Strichen immerhin noch vier Liter. Bei dem Verbrauch nicht schlimm, aber gut zu wissen. Nach dem Tanken mache ich eine kurze Pause, ein paar Notizen und suche (als Kompromiss), was es südlich von Modena so für Campingplätze gibt. Das ist weiter als Firenzuola, lässt mir aber immer noch die Möglichkeit für einen weiteren Zwischenstopp zwischen Sterzing und Verona. Das ist doch ein Deal. Die Navigation gefällt mir heute richtig gut, lauter Kleinststraßen, kleine Pässe und dazwischen immer Abschnitte auf größeren Landstraßen, wo es Tankstellen, Cafés und fahrerisch etwas Entspannung gibt. Bei der nächsten Italienreise muss ich unbedingt etwas davon einbauen.

Trotz neuem Ziel bleibt der Futapass auf der Route, was den heutigen Tag zur Fünf-Pässe-Tour macht. Als ich Porretta Terme lese, ein paar kleine Tropfen abbekomme und der späte Nachmittag übernimmt, überlege ich kurz, mich in das Wellnesshotel von damals einzubuchen. Es war eher ein Betonbunker mit 70er-Charme, aber der Saunabereich war nett und das angeschlossene Restaurant ganz gut. Mir fällt der Name (Santoli) aber erst später ein, als ich längst auf dem Weg bin, außerdem wäre das recht teuer geworden. Es fühlt sich eh richtiger an, diesen dedizierten Camping-Urlaub auch nochmal mit einem Abend im Zelt zu beenden. Ich sehe Porretta Terme also nur auf Schildern, komme aber trotzdem am Staudamm vorbei, über den ich schon 2017 gefahren bin und entdecke sogar ein paar weitere Fotospots.


In der Zwischenzeit entdecke ich einen passenden Campingplatz, denn Name (Ecochiocciola) und Logo sind mir sofort sympathisch. Egal wie viele italienische Vokabeln ich vergessen habe, manches bleibt einfach hängen, und daher weiß ich sofort, dass chiocciola nicht nur Schnecke heißt, sondern auch das @-Zeichen bezeichnet. Da Maserno aber ein kleiner Ort ist, suche ich vorher noch Supermärkte in der Nähe, was nochmal ein kleiner Umweg wird, aber nicht zu ändern ist. Zwischendurch leuchtet eine selten gesehene Kontrollleuchte auf, die mich vor einem zu niedrigen Ölstand warnt. Ich schiebe das auf das ständige Bergabfahren, muss es aber beobachten. Denn die letzten Tage war der Ölstand zwar schon niedriger als bei der Abfahrt, aber noch immer im unteren Drittel des Schauglases. Wirkliche Sorgen mache ich mir also nicht.

Nachdem mich das Navi mit einer Reihe komischer Navigationsfehler (auch das beschreibe ich im Beitrag zum Zumo XT) nervt, überlege ich kurz mal wieder, ob ich nicht doch dem Garmin-Kundenservice schreiben soll. Aber egal. Das Wetter, nur kurze Pausen ohne Mittagessen und zu wenig getrunken zu haben zieht mich auch wieder runter. In Silla bessert sich meine Laune wieder, als ich den Coop entdecke, auf der anderen Straßenseite bildet ein ausgemusterter und vom Wetter ausgeblichener Starfighter ein interessantes Deko-Objekt. Ich lasse es richtig krachen, weil ich statt Tomatensauce auch noch eine Limo, Falafel-Bällchen und Parmesan kaufe. Ich ahne schon jetzt, dass es viel zu viel ist, aber das ist mir in dem Moment egal. Die letzten zwanzig Minuten ziehen sich ewig und es sieht wieder nach Regen aus. Kurz vor dem Campingplatz entdecke ich noch die letzten Vorbereitungen für ein kleines Fest. Bierbänke und Augustiner-Banner lassen eine kleine Hommage an das Oktoberfest befürchten. Am Campingplatz muss ich kurz auf den Besitzer warten, fühle mich aber auch hier sofort wohl, und da September ist, zahle ich nur noch den ermäßigten Tarif von 14 Euro. Es gibt sogar einen Pool und viele Bungalows. Ich baue schnell mein Zelt auf und versuche, der Lemonsoda etwas feierliches abzugewinnen.

Das Essen bleibt leider etwas hinter meinen Erwartungen zurück, aber ich habe auch viel zu viel in den kleinen Topf gepackt. Hier könnte ich das nächste Mal sowieso grundsätzlich mehr abwechseln als zwischen nur Fusilli, Ravioli und Gnocchi. Zum ersten (und vermutlich letztem) Mal muss ich mein Mückenspray auspacken, denn auf diesem Campingplatz kommen sie von allen Seiten angeflogen.

Beim Abspülen merke ich, dass es ganz schön heiß aus dem Wasserhahn kommt. Beim Händewaschen fiel mir ein einlaminierter Zettel auf, der mich schon fast vom Duschen abgehalten hat. Jetzt entscheide ich mich doch dafür, bleibe aber etwas skeptisch. Die Botschaft ist ziemlich eindeutig, passt aber zur „Eco“-Schnecke.

Unter der Dusche dann die Offenbarung, die „Standardtemperatur“ liegt gefühlt bei 60 Grad und ich bin sogar versucht, den blauen Knopf zu drücken. Vielleicht liegt es an der Nebensaison, aber ich freue mich über die erste wirklich heiße Dusche auf einem Campingplatz. Die größte Schwierigkeit ist aber, mich wieder anzuziehen. Denn in der Dusche und im „Vorraum“ steht das Wasser jetzt noch höher als vorher. Wie auf einem Balance-Board stehe ich auf dem schmalen Steg dazwischen und verrenke mich, um an meine trockenen Sachen zu kommen und sie anzuziehen, ohne sie vorher ins Wasser zu tunken.
Mit meiner Entscheidung für morgen bin ich immer noch nicht weiter, der Wetterbericht hilft mir auch nicht. Da die Po-Ebene sowieso langweilig ist, werde ich es so machen: Erstmal Autobahn fahren und mich im Trentino entscheiden, ob ich weiter fahre oder abbiege. Oder aber, morgen auf den langweiligen Abschnitten Strecke machen, und mir dann für den letzten Tag etwas mehr Zeit nehmen, z. B. wieder das Penserjoch mitnehmen? Mal schauen. Zwischendurch vermisse ich schon wieder die Marken und das Ferienhaus, das ein wenig ist, wie zuhause: Wenn man dort ist kennt man alles und hin und wieder ist es sogar langweilig, aber wenn man weg ist, vermisst man die „Routine“ auch wieder. Wie zu Beginn der Reise nehme ich alles wieder etwas distanzierter war, bin gleichzeitig traurig, aber irgendwie auch froh, bald wieder daheim zu sein. Dumpf tönt eine Live-Band bis zum Campingplatz rüber, ich brauche ein paar Sekunden, um „Careless Whisper“ zu erkennen. Ein Lied, das schon ein stehender Witz ist, für mich aber untrennbar mit 2010, dem Feldwebellehrgang in Weiden und dem einzigen Stubenkameraden verbunden ist, mit dem ich mich angefreundet habe und vielleicht auch befreundet geblieben wäre, wenn sich die Wege nach dem Lehrgang nicht wieder getrennt hätten. In der entspannteren zweiten Hälfte des Lehrgangs lief seine Playstation und damit die Radiosender von GTA Vice City quasi in der Dauerschleife, und da das Spiel in einer Art Miami der 80er spielt, kamen wir wohl irgendwie auch öfters auf den Song von Wham, oft begleitet vom dramatischen Schwingen des Besenstiels als Mikrofonersatz. Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Klammer zu und gute Nacht.