Logbuch # 3 / 2024

„Das neue Normal“…

… hat nichts mit Corona oder anderen Krisen zu tun. Denn das an vielen Stellen ausgerufene „neue“ Normal ist ja mittlerweile gefühlt wieder das „alte“ Normal. Für mich ist das neue Normal allerdings, keine Zeit für garnix (Blog inklusive) zu haben. Das wusste man als werdender Vater auch schon, aber Theorie und Praxis sind auch hier zwei Paar Schuhe. Umso besser, dass ich beruflich genügend Anlässe und Ausreden habe, mich auch in der Praxis noch mit Motorrädern zu beschäftigen. Zum Beispiel beim Testen von Softgepäck, auch wenn das bedeutet, dass ich meine GS mit einigen Skrupeln auf die Seite legen musste.

Wer mich gut kennt, sieht, dass dieses Bild gestellt ist. Bei Stürzen landet die GS zu 99 Prozent auf der anderen Seite

Diese einleitenden Worte sollen eigentlich nur erklären, warum ich für die angekündigte Vorbereitung meiner G 650 Xchallenge nun ein halbes Jahr gebraucht habe. Und immer noch ein paar Kleinigkeiten fehlen. Andere hätten das in einer Woche erledigt, wenn überhaupt. Ich früher vielleicht auch. Aber das „neue Normal“ ist deshalb ja auch nicht schlechter, ganz im Gegenteil.

Reifenwechseln ist wie Radlfahren – man verlernt es nicht. Oder?

Bevor ich auf dieses Kapitel gesondert eingehe, habe ich mich zum ersten Mal selbst an den Wechsel der Kühlflüssigkeit getraut. Was der Anleitung nach ungefähr so schwer gewirkt hat, wie ein Ölwechsel (den ich davor bereits mit ziemlicher Routine erledigt habe). Die Einträge im G 650 X-Forum und auch das an sich gute Video des Old Mechanic trugen trotzdem hin und wieder zur Verunsicherung bei.

Easy Peasy Kühlschlauch Squeezy

Doch Ablassen und Befüllen waren tatsächlich so unkompliziert, wie ich mir das erhofft hatte. Nach etwas Kneterei bekam ich einen Liter neuer atom-giftgrüner Kühlflüssigkeit in Radiator und Ausgleichsbehälter. Einzig das Entlüften sorgt für einen Rest Unsicherheit, da an der Entlüfterschraube nur etwas Flüssigkeit herauströpfelte und nicht herauslief. Dass ich die 650er so lange im Stand laufen ließ, bis der Lüfter ansprang, änderte daran auch später nichts. Auch der Stand im Ausgleichsbehälter blieb gleich. Da ich bei der nächsten Fahrt aber sowieso den Ölstand checken muss, werde ich das einfach beobachten und ggf. nochmal entlüften. Wieder was gelernt.

Ein Liter raus, ein Liter rein. Sollte passen, oder?

Und weil die Xchallenge jetzt eh schon so gut wie nackt war, wechselte ich bei der Gelegenheit auch den Luftfilter, der auch schon ein paar Jahre und Kilometer hinter sich hat. Das Ausklopfen hätte sicher gereicht, aber die verlockenden „Wartungspakete“ legen den halt immer mit in den Karton. Auf die paar Euro kommt es dann wirklich nicht an.

Alle paar Jahre strömt für wenige Minuten etwas Tageslicht in dieses Geheimfach. Der neue Luftfilter sieht genauso aus, ist aber nicht ganz so dreckig

Und damit zum Hauptdarsteller dieses Absatzes, dem Reifenwechsel. War schließlich eine top Gelegenheit, das mal wieder unter kontrollierten Bedingungen gemacht zu haben. Und nicht erst auf einer steinigen Piste mitten im Nirgendwo, während es immer dunkler wird. Guter Plan, dachte ich zumindest. Die Räder waren immerhin schnell abgebaut. Mit Aussicht auf ein erstes Erfolgserlebnis startete ich am Vorderrad. Die Montiereisen mussten den Metzeler Enduro 3 nicht besonders lange überreden, aber dass dieser Allroundreifen relativ einfach zu montieren war, das hatte ich noch im Kopf.

Drei gegen eins. Aber zwei Montierhebel hätten auch gereicht

Reifen und der ohnehin nicht besonders lang dicht haltende Schlauch waren also schnell von der Felge gezogen. So weit, so gut. Der neue Grobstoller von Heidenau machte allerdings schnell klar, dass er keinen Spaß versteht. Mit Seifenwasser und Würgerei (und erneuter Angst, mir mit dem Montiereisen komplett die Felge zu verbiegen) bekam ich irgendwie auf das Speichenrad. Das war aber erst der halbe Sieg. Jetzt musste ich den neuen Schlauch zwischen Felge und Reifen bekommen. Und dann erst das Ventil… Erinnerungen an den Reifenwechsel in der Stuttgarter Garage wurden wach. Wie hatte ich das damals gemacht? Erst Schlauch auf die Felge und dann den Reifen? Oder erst den Reifen und dann den Schlauch? Und hatte ich das Ventil am Ende nicht mit irgendeinem Faden durch das Loch gezogen? Hatte ich damals nicht schon überlegt, mir für diesen Fall ein weiteres Spezialwerkzeug anzuschaffen? …

Ich brachte es jedenfalls nicht mehr zusammen, was nun die beste Strategie war. Irgendwann bekam ich das Ventil auch so durchgesteckt. Schweißgebadet zog ich den Reifen nochmal über den Felgenrand und knetete ihn ringsherum. Dann tauchte die nächste, leider auch nur halb erhaltene Erinnerung auf: Wie damals war der Schlauch im Bereich des Ventils eingezwickt, der Reifen lag daher nicht gleichmäßig auf. Ja klar, das setzt sich, wenn ich den Schlauch ordentlich aufpumpe. Tat es aber nicht. Ich erinnerte mich mal wieder an das Problem, aber nicht, wie ich es damals löste. Also holte ich den Schlauch noch einmal stellenweise heraus. Pumpte auf, ließ die Luft ab. Aber es half alles nichts. Irgendwo in der Ecke lachte mich das Hinterrad aus. Neben der Lust ging mir nun auch die Zeit aus, und ich beschloss, mir helfen zu lassen.

Bei einer Werkstattempfehlung aus der Region konnte ich ein paar Tage später mit drei Reifen aufkreuzen. Das Hinterrad hatte beim Anblick der hydraulischen Reifenwechselmaschine nichts mehr zu lachen, am Vorderrad reichte es, den Reifen von der Felge zu drücken, Felgenmontierspray reinzusprühen und den Schlauch erneut aufzupumpen. Mein Glück im Unglück war, dass ich den eingezwickten Schlauch trotz zunehmend rabiater Lösungsversuche wenigstens nicht beschädigt hatte. Als i-düpferl wurden die Felgen dann sogar gewuchtet, zumindest zu 99 Prozent. Aber „bei dene Bulldogreifen geht’s ja eh ned so genau“. Eben.

Dieses tolle „Jetzt-helfe-ich-mir-selbst“-Abenteuer war aber noch nicht ganz zu Ende, denn sogar das Einbauen der Räder bereitete mir keine Probleme, aber zumindest ungewohnte Schwierigkeiten. Wieder startete ich am übersichtlichen Vorderrad, was schnell erledigt war. Das Hinterrad aber wollte partout nicht in die Schwinge, die Distanzbuchsen (an die ich dieses Mal wenigstens sofort gedacht hatte) waren einfach zu breit. Warum? Der Kettenradträger stand relativ weit außen. Sind die Ruckdämpfer, die in der Zwischenzeit auf der Werkbank lagen, nun so hart geworden, dass die entscheidenden Millimeter fehlen? Hmm. Ich war und bin mir sicher, nichts falsch gemacht zu haben und hatte keine Lust (und, na klar, auch keine Zeit) auf weitere Diskussionen. Also schnappte ich mir meine Ersatz-Ruckdämpfer vom Speicher und beschloss, dass die Originalgummis nach vermutlich 17 Jahren auch mal getauscht werden können.

Kann man auch mal wechseln, auch wenn sie bei der X zu den gefragten Ersatzteilen gehören

Leider half das nicht wirklich. Und so retteten mal wieder Kabelbinder den Werkstattausflug und den Tag. Damit konnte ich das Kettenrad an die Speichen ziehen und gewann so die entscheidenden Millimeter, um das Rad zwischen Bremssattel und Schwinge einfädeln zu können. Das, was mir früher auch gerne mal Kopfzerbrechen bereitete, nämlich die Kettenspannung, war dagegen eine routinierte Angelegenheit. Eine Kontrolle mit dem Messschieber beseitigte die letzten Zweifel.

Mal wieder gilt: If it works, it ain’t stupid. Sollte allerdings vor dem Losrollen entfernt werden

Was jetzt noch fehlt, ist frische Bremsflüssigkeit. Nach meinen Erfahrungen an der Duke traue ich mir das zu, aber je nach Rest-Zeit werde ich hier eventuell auf die Werkstattlösung ausweichen. Dann fehlt mir nur noch ein Camping-taugliches Gepäcksystem. Und dann finde ich hoffentlich noch die Zeit für ein paar Trainingseinheiten. Denn wie im letzten Blog-Beitrag beschrieben: Es wäre wirklich peinlich, beim Touratech Active Adventure mit einer so präparierten Enduro nur herumzueiern.

Now we are talking

6 Gedanken zu “Logbuch # 3 / 2024

    • Mit den Enduristan Blizzard bin ich ja nicht mehr so zufrieden, obwohl sie eigentlich ganz gut zur Xchallenge passen. In Verbindung mit einer Gepäckrolle dürfte der Platz aber reichen. Ich habe vor allem das Rackless von Mosko Moto im Sinn. Das gibts ja mit 40 und 80 Liter Volumen und zumindest mit der großen Version habe ich schon einige Erfahrungen gemacht. Allerdings an einer aktuellen Africa Twin, wo man jetzt nicht soo die Platzprobleme am Heck hat… 😉

      • ich glaube die Mosko Motos sprengen mein Preislimit, schade das man sich solche gepäcklösungen selten bei Händlern ansehen kann und fast niemand Erfahrungen damit hat für die „alte und seltene“ G 650 XChallenge – es ist wahrscheinlich auch etwas verrückt damit 3 Wochen durch Island fahren zu wollen, mit ezwas Geschick reichen dafür vielleicht die 40L, die 80L Version mutet mir irgendwie du „dick“ für die schlanke Maschine an? Gruss Diana (PS: ich hab kein Rack und möchte eigentlich auch keines )

      • Ich kann sie beide bald direkt am Moped testen, bevor ich mich entscheide (man hat als Journalist eben schon gewisse Kontakte und Vorteile). Kann mir auch vorstellen, dass das 80er zu dick aufträgt und das 40er zu klein wird für mein Campingkram. Gerade Schlafsack und Isomatte haben jetzt nicht das kompakteste Format. Aber ich werde berichten.

        P.S. Kriega wäre evtl. noch eine Option? Die haben ja ihre „OS-Base“ und Taschen in zig Größen

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