Wenn man wenig Zeit hat…

…sollte man manches lieber sein lassen. Vielleicht sollte man dann auch nicht noch darüber schreiben. Aber egal, Selbstzensur ist hier nur in den allerpeinlichsten Momenten angesagt. Ich konnte es jedenfalls gar nicht abwarten, endlich den frisch bereiften Enduroradsatz zu montieren. Während das am Hinterrad noch eine routinierte Angelegenheit war, mahnte eine scharfkantige Bremsscheibe (die ich von der Schmiedefelge ummontieren musste) zur Vorsicht und dazu, auch bei simplen Sachen vielleicht Handschuhe zu tragen. Aber die roten Tropfen, die ich nun vereinzelt auf dem Garagenboden (und auch der HP2) verteilte, konnten mich nicht aufhalten. Auch wenn das Motorrad auf dem jetzt noch höher geschraubten Scherenheber gefährlich kippelte. Aber „geht scho“. Blöd nur, wenn man dann noch ohne zusätzliche Spanngurte oder sonstige Vorsichtsmaßnahmen an der Gabel herumwackelt, um das Vorderrad einzufädeln. Irgendwann ging’s halt nicht mehr.
Vom unschönen Anblick der auf der Seite liegenden HP2 gibt’s „leider“ keine Fotos, genauso wenig von mir, der ungläubig daneben stand und in diesem Moment auf ein surreales Ereignis hoffte, was die ganze Situation als Traum erkennbar machte. Aber das passierte nicht. Stattdessen kurze Ratlosigkeit (oder Radlosigkeit?), wie man ein Motorrad aufhebt, dem gerade das Vorderrad fehlt. Das völlig vollgesogene Taschentuch um den linken Ringfinger machte es nicht besser, aber das war gerade mein geringstes Problem. Aber es half ja nix, ich stellte den Scherenheber (den ich in diesem Moment natürlich als den Verursacher verfluchte) darunter und schaffte es irgendwie, die Enduro so aufzurichten, dass sie wieder auf Hinterrad und Motorschutz ruhte. Ohne, dass die Gabelfüße den Boden berührten.
Eine erste Bestandsaufnahme: Alles halb so wild – es lief nichts aus, der gerade noch montierte Adventure-Spiegel klappte weg, ohne Schaden zu nehmen und auch an der noch ungeschützten Zylinderkopfhaube war nichts zu sehen, außer ein paar kleinen Kratzern mehr. Offensichtlichster Schaden war der kurze Kotflügel, der den Kampf gegen den Kofferträger meiner danebenstehenden GS verlor.

Leider gehört der Fender zu den Teilen, die im schrumpfenden Ersatzteileangebot nicht mehr verfügbar sind. Aber „Krise“ und „Chance“ sollen im Chinesischen ja angeblich das gleiche Schriftzeichen sein. Und durch die weit vernetzte HP2-Community tat sich dann schnell ein edles Ersatzteil aus Kohlefaser auf, das als Gebraucht-Teil genauso teuer war, wie das Originalteil. Was gleichzeitig erneut die Frage aufwirft, ob man so ein Gerät dann wirklich im Gelände fahren möchte. (Antwort: Ja, trotzdem.)

Letzte Bauchschmerzen haben sich in der Zwischenzeit erledigt. Denn der feine Ölnebel am Kardangehäuse, den ich nach dem „Umfall“ entdeckt habe, ist seitdem nicht mehr aufgetaucht. Die größte andere Sorge: Dass die Gabel beim nicht ganz nachvollziehbaren Sturz etwas abbekommen hat, was man mit bloßem Auge nicht sieht. Da ich das Moped sowieso zum Gabelservice angemeldet hatte, gab es auch hier Entwarnung. Was ich daraus lerne: „Mal schnell noch was erledigen“ ist immer doof. Und dass ein Haken in der Garagendecke (und/oder ein zweiter Montageständer) vielleicht eine gute Idee wäre.
Die weitere Aufbrezelung

Abgesehen vom Carbonfender gibt es noch weitere Teilchen, die auf den Einbau warten. Ich habe mir alle Plastikteile bestellt, um die HP2 wieder als „Enduro“ umbauen zu können: Also vor allem die grauen Seitenteile und das längere, graue Unterteil des Frontfenders. Am wichtigsten sind jedoch die Kunststoffteile, welche sich schützend vor die Zylinderkopfhauben montieren lassen. Da würden wohl auch die Alu-Teile passen, die ich an der GS verbaut habe, aber ich würde mich hier auf das Werkszubehör verlassen wollen und dementsprechend auch auf schwere Sturzbügel verzichten.
Für eine anstehende Dienstreise war das wichtigste jedoch, ein passendes Gepäcksystem zu finden. Und damit verbunden die Frage: Reicht das Reckless 40 von Mosko Moto, oder muss es das 80er sein? Da ich meine komplette Campingausrüstung (inklusive „Luxusgegenstände“ wie Kochtopf und Bialetti) und meine Fotoausrüstung dabei haben will, kam ich nicht um das 80er herum. Das passt aber ganz gut, und mit ein paar Komforteinbußen habe ich auch alles unterbekommen. Nur, dass halt jetzt alles auf sechs Taschen aufgeteilt ist, anstatt in zwei Koffern und einer Gepäckrolle. Aber das wird sich erfahrungsgemäß unterwegs sowieso nochmal ändern.
Akte X

Die neueste Wendung im Fall G 650 X: Ich behalte sie. Nachdem das Interesse geringer war, als ich dachte (und ich sie ehrlicherweise nach wie vor nicht in die ganz große Gebrauchtbörse gestellt habe), werde ich die 650er behalten. Wie um sich nachträglich zu empfehlen, bewies sie letztens auch, warum sie nach wie vor einen festen Stellplatz in der Garage verdient hat: Mit Minimalaufwand, also nur gelegentlichem Anschließen ans Ladegerät, sprang die BMW auf Knopfdruck an. Nachdem ich sie zuletzt vollgetankt im Oktober abgestellt hatte. Lediglich den Vorderreifen musste ich noch aufpumpen, aber auch das war meine Schuld. Ich müsste halt mal bei Gelegenheit einen neuen Schlauch einziehen lassen, den ich nicht beim Montieren einzwicke.
Und so pröttelte sich der leichtfüßige Einzylinder schon nach wenigen Metern zurück in mein Herz. Denn mittlerweile kann ich nach wenigen Hundert Metern auf einen Feldweg abbiegen, machte dann ein paar Aufwärmübungen und erkundete wieder ein paar Wege, die alle ohne Verbotsschild auskommen und mich damit etwas entspannter fahren lassen. Krönung der kurzen Ausfahrt war eine auf der Straße liegende Ringelnatter, die ich zum Glück rechtzeitig erkannte. Nach dem Absteigen schlängete sie sich elegant zurück ins Gebüsch.

So weit, so gut. Große Reisen werde ich dieses Jahr wohl wieder nur beruflich machen, aber wie angedeutet werde ich zumindest bei einer davon immerhin mit der HP2 unterwegs sein. Und darauf freue ich mich schon sehr!