- Abschnitt: Athen (Griechenland) – Patras (Griechenland)
- Zeit: 08:15 bis 14:30 Uhr
- Tageskilometer: 296
- Kilometer insgesamt: 3362

Ich stehe vergleichsweise früh auf, um das Moped aus der Tiefgarage zu holen. Das Hellenic Motor Museum habe ich mir übrigens gespart, da ich auf Google genug Eindrücke gesammelt habe und merke, dass mich die vielen Autos ehrlich gesagt nicht wirklich interessiert hätten. Auf dem kurzen Weg durch den gerade anschwellenden Berufsverkehr tanke ich noch einmal auf und parke vor der Haustür. Die Sachen sind bereits gepackt und ich verabschiede mich von meiner Frau, die noch etwas länger in Athen bleibt. Der Grund für meine Eile: Ich sollte spätestens um 15:30 Uhr im Hafen sein und möchte auf dem Weg noch ein paar schönere Straßen fahren. Vermutlich wird die Fähre statt um 17:30 erst um 19 Uhr fahren, aber weiß man’s?
Ich komme mir wieder wie ein Alien vor, weil ich mich in voller Montur und mit Alu-Koffern durch den Verkehr kämpfe. Zum Glück bin ich relativ fix durch, in den Vororten und Gewerbegebieten im Westen der Stadt entspannt sich der Verkehr. Mein erster Stop: Der Bäcker, bei dem ich 2020 gehalten habe. Er liegt günstig auf der Route, die Snacks und der Kaffee waren gut und daraus könnte eine kleine Tradition werden, sollte es mich noch öfters nach Athen verschlagen. Ich wusste ungefähr wo das war, finde es aber nicht auf der Karte. Gestern fiel mir aber ein Bild ein, das ich im Archiv dieser Homepage finde. Damit konnte ich den Namen in die Suchmaschine eingeben und in das Navi eintippen. Clever. Nach einer Stunde Fahrt erreiche ich den Bäcker und finde damit eine passende Gelegenheit, mich bildtechnisch wieder zu zitieren.


Ich liege gut in der Zeit, würdige dem Kanal von Korinth wieder nur mit einem flüchtigen Blick von der Brücke und versuche auf die Route zu kommen, die ich vor zwei Jahren in die andere Richtung gefahren bin. Ich habe mir zwei Wegpunkte eingebaut, um mich der Strecke anzunähern. Stattdessen zuckel ich auf einer nervigen Straße entlang der Küste und durch viele Städte dahin, bis ich endlich Richtung Stymfalia landeinwärts abbiege. Nachdem ich ein paar LKW überholt habe, bin ich so gut wie allein.

Ich habe genug Zeit für ein paar Fotos eingeplant und komme bald an Stellen vorbei, die mir bekannt vorkommen. Trotz meiner Wegpunkte führt mich das Navi etwas anders, das merke ich, als ich die schönen Serpentinen bei Kastania nur aus der Entfernung sehe. Nochmal umzudrehen ist mir aber zu heikel und die Straße, auf der ich gerade bin, hat auch einiges zu bieten. Zum Beispiel eine Begegnung mit wilden Hunden bei einer kurzen Pause. Da ich mittlerweile genügend Straßenhunden begegnet bin (und ich zum Glück sonst auch keine Angst vor Hunden habe), bleibe ich ganz ruhig, als sich erst ein Hund nähert und bald ein zweiter angewackelt kommt. Da ich die Situation nicht kenne, habe ich durchaus Respekt und versuche, mich nicht zu schnell zu bewegen. Aber die beiden Vierbeiner halten eh etwas Abstand. Um mich stellvertretend präventiv mit allen wilden Hunden zu versöhnen, reiße ich zwei kleine Stücke meines Blätterteig-Käseteilchens ab, und werfe jedem Hund eins zu. Ich weiß nicht, ob das füttern an sich gut ist und auch nicht, ob die Hunde das vertragen. Aber da eine Freundin ihrem Hund auch ab und zu Käse gibt, wird es schon nicht so schlimm sein. Man könnte das natürlich (wie alles) vorher lieber googeln, aber man kann sich ja ab und zu auch mal auf den Hausverstand verlassen.

Ein paar der Straßen kommen mir dann definitiv bekannt vor, weshalb das Fahren so langsam wieder richtig Spaß macht. Dabei fallen mir die vielen durchlöcherten Schilder auf – in Athen waren es oft Sticker oder Graffiti, die Schilder entlang der großen Straßen unkenntlich machten, auf dem Land nutzt man halt Handfeuerwaffen für dieses anarchische Hobby.

Bei der Aussicht auf eine weite Ebene nehme ich mir die Zeit für ein paar Fotos. Da mir hin und wieder Autos ins Bild fahren, ich zu langsam für den Timer bin oder einfach vergesse, den Timer zu starten, dauert das länger als geplant. Ich habe aber immer noch einen dicken Wohlfühlpuffer.

Patras ist nun nur noch 50 Kilometer entfernt und statt wie geplant auf „ausgetretenen“ Pfaden zu fahren, entdecke ich dank des Garmin-Algorithmus wahnsinnig schöne Straßen. Die Landschaft ist mal grün, mal eher rotbraun und hier und da liegen Felsbrocken auf der Straße. In nahezu jeder Serpentine ließe sich ein tolles Foto machen, ich habe dafür aber nicht mehr die Geduld. Hauptsache, das Motorradfahren macht Spaß, und das tut es wieder so sehr, dass ich wieder kurz davor bin, Zweite-Gang-Wheelies zu testen. Ich bekomme ein paar Tropfen ab, tauche aber schnell unter der dunklen Wolke durch.

In Patras wird es wieder sehr warm und ich erreiche schnell das zunächst unübersichtlich wirkende Hafengelände. Trotz meiner mittlerweile erlangten Routine (naja) bin ich aufgeregt, aber ich bin mehr als früh genug da, um mit allen Eventualitäten fertig zu werden. Außerdem sehe ich bereits viele Motorräder mit „ANCONA“-Fähnchen. Nachdem ich meine Tickets in der Hand habe, frage ich nochmal ein italienisches R 100 GS-Pärchen, die mir sagen, dass man in einer Viertelstunde zum Schiff kann. Ob ich jetzt hier warte oder hinter dem Gate ist auch egal, daher folge ich ihnen wenige Minuten später. Beim Gate werden aber nicht die Tickets gecheckt sondern vor allem darauf geachtet, ob irgendjemand an Bord eines Wohnmobils eingeschmuggelt wird. Da diese Möglichkeiten an meinem Fahrzeug begrenzt sind, bin ich schnell durch und fahre (wie gelernt) an allen wartenden Autos vorbei, parke neben anderen Motorradfahrern und brutzel in der Sonne.

Wie um meine vermeintlich erlangte Routine zu widerlegen, werden heute zuerst die Wohnmobile und dann die Autos an Bord gebeten. Die Motorradfahrer müssen nochmal eine halbe Stunde länger herumstehen, bevor sie auf die Rampe gewunken werden. Ich schließe mich dem Konvoi an, parke an der Seite und beobachte aus dem Augenwinkel, was alle anderen so machen. Es liegen viele Keile und schmierige Spanngurte herum, ich selbst habe nur zwei schmale Spanngurte für Gepäck. Die letzten zwei Male gab es keine Möglichkeit zum Verzurren, ob die Besatzung später noch einen Keil oder irgendwas untergeschoben hat (und vor dem Andocken wieder entfernt hat) kann ich nicht beurteilen. Es hat jedenfalls immer gepasst. Hier sichert nur ein NineT-Fahrer sein Motorrad mit zwei Gurten am Lenker, alle anderen lassen die Maschinen so stehen, wie sie sind. Ich halte mich an die sehr reiseerfahren wirkenden GS-Italiener und lasse mein Motorrad auch einfach stehen. Gebe die Kontrolle ab. Und vertraue auf die höheren Mächte.
Auf Deck 8 folgt das nächste, was meiner ach so großen Erfahrung widerspricht: Es gibt einen nur per Chipkarte erreichbaren Bereich mit den beliebten „Air Type Seats“. Ich hole sie an der Rezeption ab, gehe durch zwei Türen und sehe die nächste Überraschung: Ein fensterloser, rechteckiger Saal, der stark an einen (fensterlosen) Reisebus erinnert. Links und rechts jeweils zwei Sitze nebeneinander, schätzungsweise zwölf Sitzreihen. Und ich dachte noch, ich schlage dieses Mal allen ein Schnippchen mit meiner mit an Deck gebrachten Isomatte und meinem Schlafsack. Das Fährenimperium schlägt zurück.

Naja, die Schlüsselkarte macht es mir wenigstens etwas leichter, die ganzen Sachen zurückzulassen und besonders voll ist es gerade sowieso nicht. Ich schnappe mir also meine Kameratasche und erkunde die weiteren Decks, wo sich die abgebrühten Passagiere natürlich bereits alle guten Liegemöglichkeiten geschnappt haben. Oder mitgebrachte Zelte aufgestellt haben. Vielleicht ist das die Lösung für’s nächste Mal! Ich überlege noch, sofort umzuziehen und meine Isomatte einfach auf dem Deck auszurollen. Aber ich schätze, dass ich dort vor lauter Paranoia noch schlechter schlafen werde. Vielleicht ist die Lösung für’s nächste Mal, doch so eine blöde Kabine zu buchen? Aber da ist sicher auch nicht mehr Platz und wenn man nicht gerade das dreifache ausgibt, muss man sich dort auch mit anderen Menschen auf wesentlich engerem Raum arrangieren. Vielleicht ist die Lösung, Fähren in Zukunft einfach zu boykottieren? Hilft jetzt aber alles nichts. Ich gehe in ein Café, esse mittelmäßiges Gebäck, trinke viel Wasser und leiste mir ein griechisches Pils, was die ganze Sache zumindest für ein paar Minuten angenehmer macht. Dann hänge ich wieder an Deck herum, mache noch ein paar Fotos vom Hafen und bewundere den Dampf, der seit Stunden aus dem Schornstein weht. Er ist so dick, dass er einen Schatten wirft und das fette „we sail sustainable“ auf einer anderen Superfast-Fähre irgendwie wenig glaubwürdig wirken lässt. Trotzdem muss ich sagen, dass mich der Mikrokosmos des Hafens und das ganze Gewusel irgendwie fasziniert.

Mir ist schon jetzt langweilig und ich versuche mir die Zeit weiter mit Fotos zu vertreiben. Gegen 18 Uhr (also sogar halbwegs pünktlich) bewegt sich endlich der Betonboden 20 Meter unter uns vom Schiff weg. Ich bin schon gespannt auf den Zwischenstop in Igoumenitsa. Von meinen letzten Überfahrten weiß ich, dass hier die meisten aus- und zusteigen, was bedeutet, dass es noch deutlich voller werden könnte und ich vor dem Halt um 23:30 Uhr schon garnicht daran denken brauche, mit meinem jetzigen Sitzarrangement zu rechnen und dort irgendwie zu pennen.

Ich versuche mich trorzdem zu entspannen. Falls jemand ausgerechnet den Sitz neben mir gebucht haben, dann suche ich mir halt irgendwo anders einen Platz. Ich muss einfach wieder damit rechnen, so gut wie garnicht schlafen zu können. Auch gut. Dann ist der Gran-Sasso-Plan für morgen halt auch hinfällig und ich fahre nur die kurze Strecke in’s Ferienhaus.
